Aktuelle Forschung mit Halluzinogenen und Entaktogenen (1985 bis 2017)

Von Prof. Dr. Torsten Passie

 

Forschung und Therapie mit Halluzinogenen 1970-1985

Wie schon an anderer Stelle dieser Website beschrieben, handelt es sich bei der Humanforschung mit halluzinogenen/entaktogenen Stoffen um ein von Forschern seit Ende der sechziger Jahre verlassenes und seitdem aufgrund gesetzlicher und gesellschaftlicher („illegale Drogen“) Diskriminierung kaum noch bearbeitetes Forschungsgebiet. Projekte zur Grundlagenforschung und sämtliche therapeutischen Anwendungen wurden damals gestoppt und kaum ein Wissenschaftler traute sich noch, ein derartiges Forschungsprojekt zu beantragen. Allerdings wurden einige wenige Forschungen bzw. therapeutische Anwendungen noch weiterbetrieben. Dazu gehörten die Halluzinogenforschung und die psycholytische Therapieforschung von Professor Hanscarl Leuner an der Universität Göttingen, die noch bis zu dessen Emeritierung im Jahre 1986 fortgeführt wurde (Leuner 1981, Passie 1996/97). In Holland wurde von dem Psychosomatik-Professor Jan Bastiaans an der Universität Leiden die psychotherapeutischen Behandlungen mit LSD bei traumatisierten Konzentrationslagerhäftlingen bis in die 1980er Jahre weitergeführt (Bastiaans 1983; Snelders 1998). In der Tschechoslowakei wurden mindestens am Sadska-Hospital in Prag bis in die späten 1970er Jahre psycholytische Behandlungen mit LSD bei mehreren hundert Patienten durch den international bekannten Psychosomatiker Milan Hausner durchgeführt (Hausner und Segal 2010).

 

Forschung 1985-2005

Nachdem diese wenigen Projekte aufgrund der Alterung der sie tragenden Personen ausgelaufen waren, kam es seit Ende der achtziger Jahre zu erneuten Forschungsansätzen. Dabei spielten fünf Entwicklungen eine bedeutende Rolle:

  1. Das Bekanntwerden einer neuen Klasse von psychoaktiven Stoffen mit einem neuartigen Wirkungsspektrum. Diese sogenannten Entaktogene (oder auch Empathogene) lassen sich von ihren pharmakologischen Wirkmechanismen klar von den bekannten Halluzinogenen unterscheiden (Nichols et al. 1986). Die bekanntesten Stoffe dieser Gruppe werden heute unter der Bezeichung „Ecstasy-Gruppe“ (dazu gehören MDA, MDMA, MDE etc.) zusammengefasst (Gouzoulis et al. 1996). Diese Substanzen erzeugen beim Menschen ausgeprägte Veränderungen des psychischen Erlebens, die von Euphorie, intensiviertem inneren Erleben und Körpererleben, vergrößerter Selbstakzeptanz, ausgeprägter Kommunikationsfähigkeit, vermehrtem zwischenmenschlichem Näheempfinden und einer Steigerung der Empathiefähigkeit gekennzeichnet sind. Dabei bleiben – im Unterschied zu den klassischen Halluzinogenen – die kognitiven und Ich-Funktionen weitgehend erhalten (Passie et al. 2005a). Diese Stoffe wurden aufgrund ihrer gut steuerbaren und psychotherapeutisch hilfreichen Wirkungen seit 1978 von einer größeren Zahl Psychotherapeuten, vor allem in den USA, in der psychotherapeutischen Arbeit eingesetzt (Adamson et al. 1988, Metzner 2012). Seit Mitte der achtziger Jahre kam es aufgrund verschiedener Umstände zu einer massenhaften Verbreitung dieser Stoffe im Rahmen der sich im Kontext damit entwickelnden „Techno“-Jugendbewegung, die diese Stoffe als Hilfsmittel für ekstatische Tanzrituale verwendet (Collin und Godfrey 1998).
  2. Die Entwicklung neuer neurobiologischer Untersuchungsmethoden. Dazu gehören zum einen die Entdeckung und genauere Lokalisation und biochemische Charakterisierung der für die Funktion des Gehirns zentralen Neurotransmittersysteme bzw. der ihnen zugehörigen Rezeptorgruppen. Zum anderen neue Hightech-Untersuchungsmethoden, die mit aufwendigen Apparaturen eine Darstellung des Stoffwechselgeschehens am lebenden Gehirn ermöglichen (Positronen-Emmissionstomographie (PET) und funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)).
  3. Die durch einige amerikanische Wissenschaftler initiierte Neusondierung der wissenschaftlichen Forschungsmöglichkeiten mit Halluzinogenen, die sich auch in einigen wissenschaftlichen Symposien niederschlug (Jacobs 1984, Lin und Glennon 1994). Da alle Halluzinogene/Entaktogene mit den zentralen Neurotransmittersystemen, die auch das „normale“ psychische Funktionieren steuern, interagieren, kann über diese Stoffe das Funktionieren psychischer Prozesse im Gehirn weitergehend charakterisiert werden. Dies hat auch Bedeutung für die Erforschung psychiatrischer Erkrankungen wie Depressionen und Psychosen (Vollenweider 2003, Vollenweider und Kometer2011).
  4. Aufgrund der massenhaften Einnahme dieser Stoffe im Rahmen von subkulturellen Jugendbewegungen (hauptsächlich LSD und Präparate der sogenannten „Ecstasy-Gruppe“) stellte sich die Frage nach Ursachen und Folgen insbesondere des Ecstasy-Gebrauches (LSD ist nicht toxisch). So konnte Ende der achtziger Jahre der Nachweis geführt werden, dass diese Präparate bei häufigerer Einnahme (mehr als 1x im Monat), in Kombination mit Alkohol, Cannabis, Amphetaminen und/oder Überdosierungen zu Schädigungen von Zellen des durch sie hauptsächlich beeinflussten Neurotransmittersystems (Serotoninsystem) führen (Ricaurte et a. 1988, McCann et al. 1998, kritisch dazu: Gouzoulis-Mayfrank und Daumann 2006). Ein besonderes Problem wirft die Kombination dieser Stoffe mit Tanzveranstaltungen auf, wo es durch ein gesteigertes körperliches Erregungsniveau zu Krampfanfällen und durch Flüssigkeitsdefizit („zu wenig trinken“) zu Nierenschädigungen kommen kann. Eine gelegentliche Einnahme in korrekter Dosierung, ohne Kombination mit anderen Substanzen und mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr führt gemäß wissenschaftlichen Erkenntnissen dagegen nicht zu Schädigungen (Thomasius et al. 2000, Halpern et al. 2011). Da sich der Gebrauch der Stoffe, trotz des gesetzlichen Verbotes 1986, in seiner Ausbreitung kaum hat begrenzen lassen, wurde die Erforschung etwaiger toxischer Nebenwirkungen zu einem akzeptierten wissenschaftlichen Forschungsgebiet.
  5. Durch die neu aufgekommenen Entaktogene und deren enorme therapeutische Wirksamkeit, aber auch ihre leichtere klinische Handhabung, bekam die therapeutische Anwendung im Rahmen der psycholytischer Therapien einen neuen Anstoß. Dies fand auch in der Gründung der auf die amerikanischen Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) und der Schweizerischen Ärztegesellschaft für psycholytische Therapie (SÄPT) seinen Ausdruck. Zwischen 1988 und 1993 erhielten einige Mitglieder der SÄPT Bewilligungen zur therapeutischen Anwendung im Rahmen von Psychotherapien (vgl. Styk 1994). Beide Organisationen engagieren sich für die Initiierung und Unterstützung wissenschaftlicher Forschung sowie die Aufklärung der Öffentlichkeit.

Hinzu kam, dass seit etwa 15 Jahren die Wirksamkeit der so genannten „Antidepressiva“ zunehmend infrage gestellt wurde. Man hatte damals unter anderem festgestellt, dass die Pharmaindustrie von etwa zehn in Auftrag gegebenen Studien zumeist nur ein oder zwei publiziert, und zwar diejenigen, die positive Ergebnisse erbracht hatten. Die Studien mit negativen Ergebnissen werden dagegen der Öffentlichkeit vorenthalten. Durch diese „Schummel-Methode“, aber auch noch durch diverse andere führten die Studien zu den Antidepressiva zu unrealistischen Ergebnissen. Nachdem man in einigen Fällen letztlich alle Datensätze der in Auftrag gegebenen Medikamenten-Studien untersuchte, zeigte sich, dass diese Medikamente, wenn überhaupt, nur in geringfügiger Weise auf Depressionen beziehungsweise depressive Verstimmungen einwirken. Zusammenfassend ist gemäß dem aktuellen Forschungsstand also davon auszugehen, dass diese gesamte Medikamentengruppe nur eine marginale Wirksamkeit besitzt. Dazu kommt die Tatsache, dass diese Medikamente nicht unerhebliche Nebenwirkungen haben. Viele davon werden kaum berücksichtigt Minderung des sexuellen Verlangens und der Orgasmusfähigkeit. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Medikamente zu einer „Gefühlstaubheit“, das heißt einer verringerten Emotionalität führen, was für eine wirksame Behandlungsmethode für Depressionen, wie sie die Psychotherapie darstellt, sehr unzuträglich ist.

Diese führte bei jenen Forschern, die sich diese Ergebnisse realistisch vor Augen führten dazu, dass diese von einer Verschreibung von Antidepressiva abrieten. Wird tatsächlich von einer solchen Unwirksamkeit ausgegangen, so bedeutet dies eine tiefe Krise für die Psychopharmakotherapie. Die Pharmaindustrie hat daraus schon ihre Konsequenzen gezogen. So ist bekannt, dass sich die Pharmaindustrie seit knapp zehn Jahren praktisch vollständig aus der Entwicklung von Psychopharmaka zurückgezogen hat. Das heißt, dass es von Seiten der Industrie praktisch keine Neuentwicklungen im Bereich der Psychopharmaka mehr gibt. Die Krise wird auch dadurch unterstrichen, dass von den letzten sieben Medikamente, die dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), d.h. dem in Deutschland für die Medikamentenzulassung mitverantwortlichen Gremium, vorgelegt wurden, keine Zulassung mit freier Preisgestaltung erhielten, da sie keine bessere Wirksamkeit als bisher auf dem Markt befindliche Medikamente nachweisen konnten. Somit hätten Diese Medikamente nur zum Preis patentfreier Medikamente verkauft werden dürfen. Konsequenterweise hat  die Industrie auf eine Vermarktung dieser Substanzen daraufhin verzichtet.

Nicht zuletzt diese Krise der Psychopharmakotherapie hat die Forscher dazu bewogen, überholt geglaubte Behandlungsoptionen wiederzubeleben. So hat etwa die Gruppe um Professor David Nutt, einem weltweit führenden Psychopharmakologen am Imperium College in London, um 2010 mit der Erforschung von Psychedelika begonnen. Diese Forschungen haben zu interessanten neuen Ergebnissen geführt, aber auch einige andere Forschergruppen weltweit aktiviert.

Ein wesentliches Ergebnisse der Bildgebungsstudien mit Psilocybin und LSD war der Befund, dass die Wirkung dieser Substanzen im Wesentlichen darin besteht, dass sie die Art und Weise wie die verschiedenen Hirnareale zusammenarbeiten zeitweilig stark verändern. Aus Studien an Depressiven ist wiederum bekannt, dass die Zusammenarbeit der Hirnareale während depressiver Verstimmungen zunehmend unflexibler und eingeengter wird. Dies stimmt mit dem klinischen Befund überein, dass die Emotionalität bei Depressiven, aber auch ihre Gedankenbildung, sehr unflexibel und „festgefahren“ wirken. Legt man diese Befunde zugrunde, so könnten Depressive von einer „Aufsprengung“ bzw. zeitweiligen Umstrukturierung des Musters der Zusammenarbeit der Hirnareale insofern profitieren als sie dadurch einmal aus dem gewohnten neurobiologischen Mustern hinaus gebracht werden und darüber neue Gefühle und Sichtweisen bezüglich ihres Lebens und ihrer inneren wie äußeren Situation und Zukunft erleben können.

Mit einer solchen Hypothese im Hintergrund wurde tatsächlich im Jahre 2015 eine Studie mit Psilocybin bei Depressiven am Imperial College durchgeführt. Diese Studie war nicht doppel-blind und placebo-kontrolliert, wie dies gewöhnlich bei solchen Studien der Fall ist, sondern es handelte sich lediglich um eine erste Machbarkeits-Studie an 24 Patienten, die zunächst bei offener Medikamenten-Verabreichung prüfen sollte inwieweit eine derartige Behandlung gefahrlos durchführbar ist. Die Ergebnisse zeigten, dass die Behandlung unter günstig gestalteten kontrollierten Umständen problemlos anwendbar war. Zudem waren die Besserungen der depressiven Patienten auch über Monate hin stabil (Carhart-Harris et al. 2016). Eine aktuelle Nachuntersuchung, in welcher die betreffenden Patienten detailliert über ihre Erfahrungen während der Sitzungen (aber auch in den Monaten danach) befragt wurden, weist darauf hin, dass die Patienten aufgrund der tiefgreifenden Erfahrungen während der Psilocybin-Sitzungen Einsichten und Gefühlsempfindungen generierten, die sie in den Monaten danach sich selbst und die Welt ganz anders empfinden ließen. Zentral für die veränderte Empfinden schien das „Gefühl der Verbundenheit“ („connectedness“) zu sein; dies in Bezug auf die Mitmenschen, das Gefühlsleben, die Welt und vielleicht auch Gott (Watts et al. 2017).

Sollten sich diese Ergebnisse im Rahmen besser kontrollierter Studien bewahrheiten, so ist davon auszugehen, dass die Psilocybin-Behandlung bei Depressionen noch zu erheblicher Relevanz gelangen könnte. Tatsächlich ist es aktuell so, dass sich aktuell ein Finanzinvestoren-Konsortium zusammengefunden hat um in umfangreichen Phase 3-Studien die Wirksamkeit dieser Behandlung zu belegen. Sollten diese Versuche erfolgreich sein, so ist davon auszugehen, dass es zu einer Vermarktung der Psilocybin-Behandlung bei Depressionen kommen kann. Allerdings ist in solchen Phase 3-Studien nicht nur die Wirksamkeit zu belegen, sondern auch, dass eine neue Behandlung weitestgehend gefahrlos anwendbar ist. Somit stellt sich die Frage, ob eine solche psychisch  tiefgreifende Behandlung, wenn sie in einer Vielfalt von Institutionen und einer Vielzahl von Behandlern angewendet wird, tatsächlich immer sicher durchführbar ist. Es ist ja hinreichend bekannt, dass die Verabreichung von halluzinogene Substanzen grundsätzlich mit gewissen Risiken behaftet ist. Von daher Sind die Ergebnisse dieser Studien vorsichtig abzuwarten.

 

Forschung im deutschsprachigen Raum

Im deutschsprachigen Bereich sind seit den späten 1980er Jahren fünf Forschergruppen im Bereich der Halluzinogen- bzw. Entaktogenforschung nennenswert. Deren Arbeitsgebiete sollen hier kurz charakterisiert werden.

(Anmerkung: Die angegebenen Literaturverweise berücksichtigen nur wenige ausgewählte Veröffentlichungen der Autoren.)

 

1. Die Gruppe um den später als Chefarzt der Göppinger Klinik Christophsbad tätigen Privatdozenten Dr. med. Leo Hermle. Sie erforschte an der Freiburger Universitätsklinik in der Tradition des berühmten Heidelberger Meskalinforschers der zwanziger Jahre, Professor Kurt Beringer, zuerst die Auswirkungen von Meskalin auf die Entwicklung psychoseartiger Symptome („Modellpsychosen“) und einige Parameter der Hirnfunktion (EEG, Hirndurchblutung, Wechselwirkungen der Hirnhälften u.a.) (Hermle et al. 1992). Im Anschluss daran wurden von ihnen die körperlichen und psychischen Wirkungen eines klassischen Entaktogens (Methylendioxyethylamphetamin, kurz MDE) in aufwändigen Projekten untersucht (Hermle et al. 1993, Gouzoulis et al. 1993). Auch dessen Pharmakokinetik und Verstoffwechslung im Körper wurde (in Zusammenarbeit mit Prof. K.-A. Kovar, Universität Tübingen) charakterisiert. Ähnliches wurde von ihnen auch für das Halluzinogen Psilocybin geleistet (Holzmann 1995). Während der neunziger Jahren kam es zur Dreiteilung der Forschergruppe:

  • Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer wurde auf den Lehrstuhl für Psychiatrie an der Universität Ulm berufen und forschte unter anderem zur neuropsychologischen Charakterisierung von Psilocybin-Wirkungen (Spitzer et al. 1996). Außerdem wurde in Zusammenarbeit mit PD Dr. Hermle die Wirkung der voneinander separierten rechtsdrehenden und linksdrehenden Moleküle von MDE auf einzelne neuropsychologische Parameter und den Hirnstoffwechsel untersucht (Spitzer et al. 2001) und später  eine Übersichtsarbeit zur Pharmakologie von MDE veröffentlicht (Freudenmann und Spitzer 2004). 
  • Frau Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis integrierte sich für einige Jahre in die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Henning Sass an der Universität Aachen. Sie führte eine vom Bundesministerium für Forschung und Technologie geförderte Untersuchung zur vergleichenden Charakterisierung von Halluzinogenen (Psilocybin), Entaktogenen (MDE) und Amphetaminen (Methamphetamin) durch. Die Substanzenwirkungen wurden im Bezug auf körperliche, endokrinologische, psychische, neuropsychologische und Wirkungen auf den Gehirnstoffwechsel untersucht (Gouzoulis et al. 1999a, b). Weiteres Thema waren die Aufklärung der wissenschaftlichen Öffentlichkeit über die Charakteristik der Entaktogene, ihrer möglichen Nebenwirkungen und neurotoxischen Risken (Gouzoulis-Mayfrank et al. 1996, 2002, Hermle et al. 1996). Seit letzten Studien zur vergleichenden Wirkung von Dimethyltryptamin und Ketamin an gesunden Freiwilligen, haben die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe ihre wissenschaftlichen Experimente seit 2004 praktisch vollkommen eingestellt. Seitdem wurde lediglich noch vereinzelt über Gefahrenpotenziale von MDMA und anderen Substanzen der so genannten „Ecstasy-Gruppe“ sowie Komplikationen von Cannabis-, Amphetamin- und Halluzinogen-Gebrauch publiziert.

2. Die Gruppe um den an der Züricher psychiatrischen Universitätsklinik tätigen Professor Dr. Franz X. Vollenweider. Diese Gruppe untersucht seit den achtziger Jahren die Veränderungen des Hirnstoffwechsels (PET) und der geistigen Funktionen (Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis etc.) unter dem halluzinogenen Anästhetikum Ketamin, dem klassischen Halluzinogen Psilocybin und MDMA (Vollenweider et al. 1997 ff., Gamma et al. 2000). Dabei konnten die psychischen und die kognitiven Wirkungen dieser Substanzen charakterisiert werden. Auch die Pharmakokinetik und Verstoffwechselung dieser Substanzen war Forschungsgegenstand (z.B. Hasler et al. 1997). Unter Verwendung von Substanzen die selektiv bestimmte Serotoninrezeptoren blockieren, konnte gezeigt werden, dass die Wirkungen des Halluzinogens Psilocybin vor allem über den Serotonin 2A-Rezeptor vermittelt werden. (Vollenweider et al. 1998). Besonderes Augenmerk richteten die Forscher auf die Beziehungen von Hirnstoffwechselveränderungen und Abwandlungen der kognitiven Funktionen und des psychischen Erlebens. Sie konnten Zusammenhänge aufzeigen und ein neurophysiologisches Modell der veränderten Wechselwirkungen unterschiedlicher Teile des Gehirns (Modell der CTSC-Loops) entwickeln (Vollenweider et al. 2001). Diese Forscher Modelle halten auch für die Erforschung psychiatrischer Erkrankungen wie Depressionen und Schizophrenien von Bedeutung (Geyer und Vollenweider 2008, Vollenweider und Kometer 2011). Die Forschungen der Gruppe um Vollenweider Waren intensiv und umfangreich. Sie drehte sich vor allem um das Halluzinogen Psilocybin. In neuester Zeit stellt man die gesamten erzielten Ergebnisse in einigen Publikationen zusammen und konnte dadurch die Beweiskraft der Ergebnisse und deren Sicherheit bekräftigen (Kometer et al. Studerus ??).

3. Die Gruppe um Prof. Dr. Dr. Hinderk M. Emrich (emeritiert 2009) an der Medizinischen Hochschule Hannover. Es wurden Untersuchungen mit den Halluzinogenen Ketamin, Lachgas und und Psilocybin durchgeführt. Die Gruppe untersucht neuropsychologische Funktionen, Synästhesien und den Bewusstseinszustand. Dabei kommt auch ein neuentwickeltes Experiment, welches über die Beeinflussung der Wahrnehmung einer optischen Illusion („Hohlmasken-Modell“) die Wahrnehmungsverarbeitung im Gehirn untersucht (Schneider et al. 1999) zum Einsatz (zu sehen auch im Film - ab Min 38:05 - auf http://www.youtube.com/watch?v=aJsuZ92jP1M). Eine andere Publikation beschäftigt sich mit der Ähnlichkeit des typischen MDMA-induzierten Zustandes und des post-orgasmischen Zustandes (Passie et al. 2005b). Einige Mitarbeiter der Gruppe publizieren auch über die Geschichte der Halluzinogen/Entaktogenforschung, die Pharmakologie dieser Stoffe und deren mögliche therapeutische Anwendungen (Passie 1993 ff.; Passie et al. 2008??, Passie und Dürst 2009, Hintzen und Passie 2010; Passie 2012; vgl. auch die Bibliographie unter dem Button „Kontakt“ auf dieser Website). Mittlerweile ist die Gruppe an durch den Weggang von Prof. Udo Schneider und die Emeritierung von Prof. Emrich aufgelöst. Prof. Passie war von 2012-2015 Visiting Professor an der Harvard-Universität (Boston, USA) und setzte dort seine Forschungen fort (vgl. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?term=passie). Im Rahmen dieser Kooperation kam es auch zur Entdeckung des LSD-Derivates 2-Brom-LSD zur Behandlung von Clusterkopfschmerzen (Karst et al. 2010??). Desweiteren erschienen Publikationen zur Wirkung von Cannabis bei PTBS, zu Flashback-Phänomenen nach Halluzinogeneinnahme (Holland und Passie 2011??, Halpern et al. 2016??), zur Bedeutung von ekstatischen und mystischen Erfahrungen im Rahmen der Psychotherapie mit psychoaktiven Substanzen sowie verschiedene Übersichtsartikel zu halluzinogenen Substanzen (Passie et al. 2015 u.a.??). Auch gab es eine Zusammenarbeit mit dem Schweizer Psychiater Dr. Peter Gasser bei Studien zur LSD-unterstützten Psychotherapie bei Ängsten von Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen (Gasser et al. 2014, 2016??).

4. Neuerdings wird auch von einer Gruppe um Professor Matthias Liechti an der Universitätsklinik Basel mit MDMA und LSD am Menschen geforscht (z.B. Hysek et al. 2012). Diese Forschergruppe ist derzeit sehr aktiv. Es wurden verschiedene Untersuchungen zu kognitiven, neuroendokrinologischen und anderen pharmakologischen Wirkungen von MDMA und LSD durchgeführt. Zum Beispiel handelte es sich dabei um Studien, bei denen mittels anderer Medikamente Einzelne für die Wirkungen von LSD und am dem Abenteuer SamenrezeptortypenBlockiert wurden, So dass sich erschießen ließ inwieweit diese Rezeptoren FürEinzelner Aspekte der Wirkungen dieser Substanzen relevant sind. Außerdem wurden detaillierte Untersuchungen zur Pharmakokinetik von LSD angestellt. Diese erwiesen zum Beispiel, dass sich das volle Wirkungsspektrum von LSD erst bei einer Dosis von etwa 200 Mikrogramm entfaltet. Eine aktuelle, 2017 angelaufene Studie befasst sich mit der Behandlung von Angststörungen bei Patienten mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung durch LSD-unterstützte Psychotherapie.

5. Die Schweizerische Ärztegesellschaft für psycholytische Therapie (SÄPT) wurde 1985 gegründet. Einige ihrer Mitglieder besaßen von 1988-1993 eine Ausnahmebewilligung für die Verwendung von Halluzinogenen und Entaktogenen im Rahmen psychotherapeutischer Behandlungen (Styk 1994). Diese Gruppe ist nach wie vor aktiv. Nachdem sich in entsprechenden Nachuntersuchungen ihrer Patienten keine Komplikationen und Anhaltspunkte für heilsame Wirkungen gezeigt hatten (Gasser 1997), strebte sie danach, erneut eine Bewilligung für den therapeutischen Einsatz zu erlangen. Voraussetzung dafür ist nach Ansicht ministerieller Stellen ein wissenschaftliches Forschungsprojekt zur Beurteilung des Behandlungserfolges und der Risiken. Die Planung war schwierig und hatte verschiedene Hindernisse zu bewältigen. Letztlich kam es (mit Unterstützung durch die amerikanische MAPS-Organisation) zu einer Planung und Durchführung von zwei klinischen Studien auf hohem methodischen Niveau. Eine Studie an Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), die mit einer MDMA-unterstützen Psychotherapie behandelt wurden, konnte mit, So dass man erschließen konnte, welche Rezepturen an der Wirkung von MDMA und LSD maßgeblich in welcher Weise beteiligt wurden mittlerweile publiziert (Oehen et al. 2012). In den Jahren 2014 und 2016 wurden die Resultate einer Studie, die von Dr. Peter Gasser mit einer LSD-unterstützten Psychotherapie bei Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen durchgeführt wurde, publiziert. Die beiden Publikationen umfassen sowohl die quantitativen Daten zur Besserung der Patienten und etwaiger Gefahren der Behandlung als auch Resultate einer qualitativen Studie, in welcher die betreffenden Patienten zu Ihren persönlichen Erfahrungen mit der Behandlung systematisch interviewt wurden. Beide Studien zeigten gute Resultate, die weit besser ausfielen als dies bei gewöhnlichen Behandlungen dieser Patientengruppen der Fall ist. Derzeit führt Dr. Peter Gasser erneut eine gleichartige Studie -  mit einer größeren Patientenzahl - in Kooperation mit der Universität Basel durch.

Neben weiteren Behandlungsstudien beitreibt die SÄPT Öffentlichkeitsarbeit zur Aufklärung über die psycholytische Therapie und psychoaktive Substanzen (vgl. http://saept.ch/index.php?option=com_content&task=view&id=10&Itemid=11). Sie veranstaltet außerdem Symposien, auf denen über neue Entwicklungen im Bereich der Psychotherapie mit psychoaktiven Substanzen informiert wird.

 

Das Schicksal der Forschung in Deutschland nach 2000

Nach einer intensiven Phase klinischer Forschungen mit Halluzinogenen und Entaktogenen in Deutschland während der 1990er Jahre kam es praktisch nicht mehr zu weiteren Forschungsprojekten. Dies stand vermutlich im Zusammenhang damit, dass sich die therapeutischen Anwendungen aufgrund formaler und klinischer Hindernisse nur sehr begrenzt realisieren ließen. Dazu kam die Novellierung des deutschen Arzneimittelgesetzes im Jahre 2004. Die dadurch bedingten Regelungen im Bereich der klinischen Forschung mit Pharmaka (egal welcher Art) stellten der Forschung praktisch unüberwindbare Hindernisse in den Weg.

Die Voraussetzungen für eine Forschung am Menschen wurden mit den Ansprüchen an die Pharmaindustrie gleichgestellt. Das heißt, kleinen universitären Forschungsgruppen, die ja mit viel geringeren Ressourcen arbeiten als die geldträchtige Pharmaindustrie, wird es praktisch verunmöglicht, entsprechende Forschung zu betreiben. Ein Beispiel sind die Zertifizierungsvoraussetzungen für die zu untersuchenden Substanzen. Diese sind in der pharmazeutischen Industrie selbstverständlich erheblich höher, müssen es dort auch sein. Entstanden vor der Novellierung des Gesetzes für den Forscher Herstellungskosten für die zu untersuchenden Substanzen im Bereich von einigen tausend Euro, so sind es, aufgrund der nun vorgeschriebenen „GMP-zertifizierten“ Herstellung der Substanzen (die selbstverständlich auch früher seriös auf ihre Beschaffenheit kontrolliert wurden) nun 50.000 bis 100.000 Euro für nur einige Milligramm. Dazu kommen die Kosten für die nun vorgeschriebenen Tierstudien von etwa 800.000 Euro, die jeder Anwendung von Substanzen am Menschen (auch von schon tausendfach am Menschen angewendeten Substanzen) vorausgehen müssen. Auch das nun erforderliche Monitoring der Studienunterlagen durch externe Kontrolleure verursacht einen Kostenaufwand von i.d.R. mehr als 50.000 Euro. Somit entstehen für eine kleine Untersuchung an etwa 10 Probanden mit einmaliger Verabreichung eines Halluzinogens Kosten von fast einer Million Euro. Solche Studien kosteten vorher lediglich etwa 10.000 Euro! Sachlich, das heißt durch eine Verbesserung der Probandensicherheit oder der Zuverlässigkeit der Resultate, lässt sich eine solche Aufwandsvermehrung sicher nicht rechtfertigen. Das wird auch von Seiten der entsprechenden Behörden nicht versucht. Diese beziehen sich bei Auskunftsersuchen auf die „europäische Gesetzeslage“ und empfinden sich dadurch frei von jedem Rechtfertigungsdruck, da sie zwar die Forschung in erheblichem Maße blockieren (Zitat: „80%iger Rückgang der forscher-initiierten klinischen Studien mit Pharmaka in Deutschland“), aber sich ja nur an die Gesetze halten. Das diese allerdings sich auch anders auslegen lassen, zeigen unten angeführte Forschungen in anderen EU-Ländern.

Letztlich würde eine weiterhin „enge“ Auslegung dieser Vorschriften eine Forschung auch mit allen so genannten „illegalen“ Substanzen am Menschen verunmöglichen, was die eine Gefährdung dahingehend bedeutet, das die Wirkungen dieser Substanzen nicht mehr wissenschaftlich untersucht werden können und die Bevölkerung ohne seriöse Informationen über die Stoffe bleibt. Dazu kommt die internationale Konkurrenzsituation, da einige Länder diese Forschung weiterhin erlauben (z.B. Schweiz, USA), während die EU-Länder von dieser wichtigen Forschung abgeschnitten sind bzw. sein werden.

Aus den genannten Gründen scheint in Deutschland die Forschung mit psychoaktiven Substanzen zum Erliegen gekommen zu sein. Die letzten Untersuchungen von Frau Prof. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank (Universität Köln) wurden noch vor dem Inkrafttreten des neuen Arzneimittelgesetzes beantragt und konnten daher noch beendet werden. Prof. Torsten Passie an der Medizinischen Hochschule Hannover konnte Studien mit Stickoxydul (Lachgas) und Psilocybin zu Ende bringen, da sie noch vor der Arzneimittelgesetznovelle genehmigt wurden. Seitdem wurden keine Studien mit Halluzinogenen oder Entaktogenen in Deutschland mehr durchgeführt. Wie schon beschrieben, ist bei der derzeitigen Auslegung der Vorschriften in Deutschland jegliche Forschung mit psychoaktiven Substanzen derart aufwändig geworden, dass ihre Durchführung mit gewöhnlichen Forschungsetats unmöglich geworden ist. Ob die weitere Entwicklung zu einer anderen Auslegung der Vorschriften (wie in England und Spanien) führen wird, bleibt abzuwarten. Allerdings stellt sich auch die Frage, ob im Kontext der sich nur noch am Mainstream und monetärer Attraktivität orientierenden medizinischen Forschungswelt solche Forschung für junge Forscher überhaupt noch attraktiv sein kann. Dies scheint sich etwas geändert zu haben, seitdem weltweit doch wieder eine beachtliche Zahl von Forschern in dem Gebiet aktiv zu werden scheint.

 

Internationale Forschung 2000-2017

Im Jahre 2010 kam es durch die englische Regierung zur Einsetzung einer nationalen wissenschaftlichen Kommission, die einen rationalen Konsens im Bereich der Drogenproblematik erarbeiten sollte. Dadurch sollte die Grundlage für eine rationale Gesetzgebung geschaffen werden. Der Vorsitzende in dieser Kommission war der bedeutendste europäische Psychopharmakologe Prof. David Nutt. Nachdem dieser die Modalitäten und Grundlagen der bisherigen (und der geplanten) Drogenpolitik aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage öffentlich infrage gestellt hatte, kam es zu einem Eklat, der dazu führte, dass Professor Nutt als Vorstand der Kommission entlassen wurde. Diese skandalösen Vorgänge erregten erhebliche internationale Aufmerksamkeit.

Im Anschluss daran hat sich die Haltung von Professor Nutt sich verändert, so dass er sich nun mit der Überwindung der jahrzehntelangen Unterdrückung von Forschung mit psychoaktiven Substanzen in England beschäftigt. Von daher kam es seit dem Jahr 2010 zu einem Wiederaufleben der Halluzinogenforschung in England. Auch wurde 2010 die erste wissenschaftliche Konferenz zur Forschung mit Psychedelika in England seit den 1960er Jahren abgehalten. Seitdem ist die Forschung in Großbritannien wieder in nicht unerheblichen Maße angelaufen. Psilocybin und MDMA wurden in Bildgebungs-Studien untersucht. Aktuell sind Studien mit MDMA bei posttraumatischen Störungen und weitere Psilocybin bei Depressionen (siehe oben) in Vorbereitung.

Erstaunlich ist, dass die Briten sich offenbar über prinzipiell europaweit geltende Vorschriften seit Jahren hinwegsetzen. Die dortigen Studien unterliegen diesen strengen Vorschriften anscheinend nicht. Sie werden nicht als Arzneimittelstudien (wie in Deutschland), sondern als  „Stimulationstudien“ klassifiziert und behördlich behandelt. Dadurch unterliegen Sie nicht in den strengen Regularien wie sie sonst europaweit angewendet werden. Dies erleichtert die Forschung in England erheblich, da die Anforderungen an die Herstellung der Präparate, Tierstudien und das aufwändige Monitoring entfallen. In neuerer Zeit hat es jedoch den Anschein!, dass auch dort einige strengere Vorschriften durchgesetzt werden sollen.

 

 

In Spanien wurden seit Mitte der 1990iger Jahren eine Reihe von Forschungsprojekten zu Halluzinogenen bzw. Entaktogenen durchgeführt. Den Anfang machte eine Studie unter der Leitung von Jose Carlos Bouso, welche die Verwendbarkeit von MDMA bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) untersuchte. Allerdings wurde diese Studie aufgrund von politischen Problemen letztlich abgebrochen. Einige ihrer Ergebnisse konnte jedoch später publiziert werden (Bouso et al. 2008). Auch wurden die Wirkungen und der Metabolismus von MDMA eingehend in umfangreichen Humanstudien untersucht (z.B. de la Torre et al. 2000; Farre et al. 2007). Ein weiterer Forschungszweig der spanischen Wissenschaftler betrifft die Verwendung von Ayahuasca (Riba et al. 2001ff.). Diese halluzinogene Mixtur aus südamerikanischen Dschungelpflanzen erlebte eine Art Renaissance während der 1990iger Jahre. Es kam zu einer Internationalisierung des Gebrauchs dieses Pflanzenpräparates, obgleich dies von der Zahl der Konsumenten (einige Tausend außerhalb von Brasilien) her nur eine sehr marginalisierte Gruppe ausmacht. Die Forschungen der Gruppe um den Pharmakologen Professor Jordi Riba am San Pau Hospital in Barcelona Sind umfassend und dauern noch an. Dessen Gruppe hatte auch die Wirkung der im mexikanischen Salbei, einer in Mexiko traditionell verwendeten Rauschpflanze, enthaltenen Halluzinogene Wirkstoffe Salvinorin A und B in Humanstudien untersucht.

Mit der europaweiten Änderung der Arzneimittelgesetze kamen auch diese Forscher in Schwierigkeiten. Nach 2005 wurden ihnen Genehmigungen für Forschungsprojekte durch die Regierungsbehörden verweigert. Allerdings er gelang es den Kollegen in einem langwierigen Hin und Her mit den Regierungsbehörden die Forschung weiterzuführen. Die Regierungsbehörden hatten sich letztlich dazu entschlossen, die Studien mit illegalen psychoaktiven Substanzen nicht mehr als Arzneimittelstudien zu werten. Siehe betrachten diese Studien als solche mit illegalen Substanzen, nicht mit einer Medikamentenentwicklung gleichzustellen ist, sondern deren Erforschung aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt, David von einer Vielzahl von Menschen als illegale Drogen konsumiert werden. Von daher unterliegen diese Studien in Spanien nun einer erleichterten Zulassungsprozedur. Derzeit laufen dort Studien mit Ayahuasca, MDMA und anderen psychoaktiven Substanzen.

 

In den USA laufen seit circa zehn Jahren einige klinische Forschungsprojekte mit dem Halluzinogen Psilocybin. So konnte die Arbeitsgruppe um Professor Roland Griffiths an der Johns Hopkins Universität in Baltimore nachweisen, dass das Halluzinogen Psilocybin bei Menschen Unter geeigneten Bedingungen authentische mystische Erfahrungen hervorrufen kann (Griffiths et al. 2006). Auch wenn dies schon vorher durch die Untersuchungen des Harvard-Theologen und Mediziner Walter Pahnke im Jahr 1963 belegt wurde (Pahnke 1963), erscheint es doch von Bedeutung, dass dies mit heutigen methodischen Standards erneut belegt wurde. Auch die Nachuntersuchungen nach 14 Monaten zeigten eindeutige Persönlichkeits- und wird Werthaltungs-Veränderungen bei den untersuchten Personen (Griffiths et al. 2008). Psychologische Persönlichkeitsprofile wiesen zudem darauf hin, dass bei den betroffenen Personen eine erhebliche Veränderung im Bereich des psychologischen Faktors „Offenheit“ zu verzeichnen war. Er derzeit arbeitet die Gruppe um Griffiths an drei Forschungslinien: 1. der Nutzung von psilocybin-induzierten Erfahrungen beim Zigarettenentzug; 2. einem möglichen Nutzen von psilocybin-induzierten Erfahrungen im Rahmen von spirituellen Praktiken wie Meditation; 3. der Unterstützung von psychotherapeutischen Prozessen bei krebskranken Patienten im Endstadium mit Psilocybin. Zu Letzterem wurde mittlerweile auch die Ergebnisse von einigen Dutzend Patienten publiziert (Griffiths et al. ??).

 

Unter der Leitung der Professoren Brian Ross und Jeff Guss wurden an der Universität von New York wurde Studien mit Psilocybin bei der psychotherapeutischen Behandlung von krebskranken Patienten im Endstadium durchgeführt, die Ergebnisse mittlerweile publiziert wurden (Ross et al. 2016??). An der gleichen Abteilungen werden auch Studien mit Psilocybin-Behandlungen bei alkoholkranken Patienten durchgeführt (Bogenschutz et al. 2015??).

In den Jahren von 2005-2015 wurden unter Leitung der Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS) Untersuchungen zur Unterstützung von Psychotherapie bei Patienten mit PTBS mit MDMA-gestützter Psychotherapie durchgeführt. Die günstig ausgefallenen Resultate konnten 2011 in einer renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert werden (Mithoefer et al. 2011). Auch die folgende Nachuntersuchung der Patienten nach 2 Jahren zeigte eine erstaunliche Stabilität der Behandlungsresultate (Mithoefer et al. 2013). Derzeit arbeitet die gleiche Gruppe an einem Projekt zur Psychotherapie mittels MDMA bei traumatisierten Kriegsveteranen. Auch hier sind die bisherigen Ergebnisse erfolgversprechend (http://www.maps.org/research/mdma/mdma_ptsd_u.s._study_veterans_of_war). Die verschiedenen Phase 2-Studien mit MDMA-unterstützter Psychotherapie bei PTBS wurden mittlerweile abgeschlossen und ihre Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit bei der Amerikanischen Medikamenten Zulassungsbehörde (FDA) eingereicht. In den nun folgenden und mittlerweile genehmigten Phase 3-Studien sollen mehrere 100 Patienten mit dieser neuen Methode behandelt werden. Die Phase 3-Studiengängen dienen dazu, an einer erheblich größeren Anzahl von Patienten - in diesem Fall etwa 200-300, die Wirksamkeit und Sicherheit der Methode soweit abzusichern, dass es zur Zulassung von MDMA als verschreibungsfähiges Medikament für die Behandlung von PTBS im Rahmen von Spezialabteilungen an entsprechenden Kliniken kommen kann. Dafür stehen MAPS mittlerweile durch private Spender mehrere Millionen Dollar zur Verfügung. Sollten die Phase 3-Studien tatsächlich weiterhin gute Ergebnisse erbringen, so stände einer Zulassung von MDMA zur Behandlung von PTBS nichts mehr im Wege. Würde dies gelingen, so wäre das die erste vollständig durchgeführte  Medikamententwicklung durch eine Non-Profit-Organisation.

 

An der University of San Francisco arbeitete während der 2000er Jahre eine Gruppe um den Internisten Jack Mendelsohn und den Pharmakologen Matthew Baggott an verschiedenen klinischen Humanstudien zu Wirkungen von Halluzinogen und Entaktogenen. Hierbei entstanden Forschungen mit den Substanzen MDMA, MDA und Salvinorin. Erhoben wurde insbesondere Parameter zum subjektiven Erleben und zu endokrinen sowie kardiovaskulären Wirkungen dieser Stoffe (z.B. Harris et al. 2002).

Eine Übersicht zu den Forschungen mit MDMA an gesunden Freiwilligen bietet die von Professor Torsten Passie zusammengestellte Übersicht zu seit 1990 gelaufenen Studien an anderer Stelle dieser Website.

Wer an einer vollständigeren Auflistung und Darstellung der aktuell laufenden internationalen Forschungsprojekte zu Halluzinogenen/Entaktogenen, insbesondere im Hinblick auf therapeutische Anwendungen, interessiert ist, kann sich im Internet unter www.maps.org und unter www.heffter.org weitergehend informieren.

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