Von den 52 Teilnehmern, welche Psilocybin für die akute, prophylaktische oder die remissions-erweiternde Behandlung eingesetzt hatten, berichteten 42 % dass sie auch mit subhalluzinogenen Dosen eine therapeutische Wirkung erreichen konnten. Bei subhalluzinogenen Dosen von LSD zeigte sich nur bei 22 % eine Wirkung.
Etwa zwei Drittel(?) der Patienten berichteten, dass sie außerhalb der wenigen Einnahmen von Psilocybin oder LSD keine anderen prophylaktischen oder abortiven Medikamente mehr einnehmen mussten. Etwa 13 % der Patienten nahmen weiterhin konventionelle Medikamente zusätzlich ein.
Der 38. Patient, der in Anlehnung an das Vorgehen des schottischen Patienten begann, Psilocybin einzunehmen, war Bob Wold, der spätere Gründer der Selbsthilfeorganisation Cluster Busters. Er ist ein 60-jähriger Mann ohne sonstige körperliche Erkrankungen und leidet seit dem 20. Lebensjahr unter episodischem Clusterkopfschmerz. Die Cluster-Episoden traten während sechs oder sieben Monaten des Jahres auf. Die Attackenfrequenz betrug zwischen drei und zwölf Attacken pro Tag, jede etwa 45 Minuten lang, vorwiegend linksseitig. Im Jahre 2001 nahm er 2 g Psilocybin-haltige Pilze ein und war erstaunt, dass er für etwa 12 Stunden schmerzfrei war. Am Folgetag nahm er nochmals eine solche Dosis ein und erlebte wiederum 12 schmerzfreie Stunden. Dann, über einige Wochen hin, reduzierte er kontinuierlich seine sonstigen Medikamente (15 zu diesem Zeitpunkt) und nahm eine dritte Dosis Psilocybin-Pilze ein. Dies beendete unmittelbar die gesamte Cluster-Periode, vier Monate früher als gewohnt. Während der folgenden Cluster-Perioden fand er heraus, dass eine Dosis Psilocybin nicht nur die aktuelle Attacke unterbrach, sondern außerdem Schmerzfreiheit für etwa 24 Stunden brachte. Später zeigte sich, dass zwei oder drei wiederholte Dosen im Abstand von fünf Tagen, die gesamte Cluster-Periode beendet. Er fand außerdem heraus, dass die Einnahme einer Dosis Psilocybin alle 3-6 Monate während der Remissionsperiode das Auftreten einer neuen Clusterperiode präventiv verhindert.
Gefahren und Kontraindikationen
Die Beschaffung von Substanzen wie Psilocybin und LSD ist in Deutschland und in den meisten europäischen und nicht-europäischen Ländern illegal und strafbar, die Einnahme dagegen nicht.
Obgleich Psilocybin und LSD erfahrungsgemäß in den üblichen Dosierungen und in der seltenen Einnahmehäufigkeit keine Schädigungen an Körperorganen hervorrufen, gibt es für deren Einnahme (gemäß den Forschungsergebnissen der letzten 50 Jahre) einige Kontraindikationen, d.h. Bedingungen oder körperliche Erkrankungen, unter denen eine Einnahme keinesfalls erfolgen sollte. Menschen mit gravierenden Leber- oder Nierenerkrankungen sollten diese Substanzen nicht einnehmen. Auch Menschen mit Psychose-Erkrankungen, anderen gravierenden psychischen Erkrankungen, aktueller oder chronischer psychischer Labilität und einem Krampfleiden (Epilepsie) sind besonders gefährdet, dass Störwirkungen auftreten. Sie sollten keine der genannten Substanzen einnehmen.
Auch die Einnahme durch körperlich und psychisch gesunde Menschen ist mit nicht unerheblichen Risiken behaftet. Bekanntermaßen können die Wirkungen dieser Substanzen psychisch stark irritierend sein, da sie Pseudo-Halluzinationen, verstärkte Gefühlszustände, psychische Irritationen und Denkstörungen hervorrufen. Das Zusammenwirken dieser Erscheinungen kann leicht zu problematischem Verhalten führen. Auch ist bekannt, dass manche Menschen mit Angst und bizarren psychischen Erscheinungen auf die Einnahme reagieren können. Allerdings sind auch positive und einsichtsfördernde Erlebnisse möglich, weshalb diese Stoffe auch in der Psychotherapie Verwendung finden.
Aus ärztlicher und wissenschaftlicher Sicht sollten allerdings solche Substanzen grundsätzlich nicht außerhalb von klinischen Studien eingesetzt werden. Zur Minimalanforderung an die Durchführung solcher Studien gehören geschützte Umstände (ruhige und störungsfreie Umgebung) sowie die Begleitung durch eine erfahrene Person während des veränderten Bewusstseinszustandes.
Ist ein nicht-halluzinogener LSD-Abkömmling die Lösung?
Nachdem an der Harvard-Universität die Umfrage über die Selbstbehandlung von Cluster-Kopfschmerz mit LSD und Psilocybin abgeschlossen war, plante man dort eine Behandlungsstudie mit LSD. Zu dieser Zeit arbeiten wir mit dem Team in Harvard zusammen. Nachdem wir den Plan für eine LSD Studie in Harvard, trotz seriösem Studienplan und Geldgebern, nicht durchsetzen konnten, begannen wir aus der Vielzahl der bekannten Abkömmlinge von LSD diejenigen näher zu sondieren, die eine große Ähnlichkeit mit LSD haben, aber vielleicht weniger ‚Nebenwirkungen‘ (vgl. Hintzen & Passie 2010). Letztlich wählten wir 2-Bromo-LSD aus; eine Substanz die Hofmann, der Entdecker des LSD, als einen ‚LSD-Placebo‘ entwickelt hatte. Die auch mit dem Codenamen BOL-148 bezeichnete Substanz hat gemäß den älteren Versuchsreihen eine genauso starke „Anti-Serotonin-Wirkung“ wie LSD, versursachte aber keine psychischen Effekte. Nachdem wir eine kleine Menge hatten herstellen lassen und erhalten hatten, starteten wir die Behandlung von 5 Patienten, die nicht auf konventionelle Behandlungen angesprochen hatten. Schon die ersten dieser Heilversuche ließen erkennen, dass BOL-148 mindestens so wirksam wie LSD war (Karst et al. 2010). Es hat den Vorteil nur sehr geringe Nebenwirkungen, insbesondere keinerlei halluzinogene Wirkungen, zu haben (Näheres siehe den Abschnitt „Die Entdeckung von 2-Bromo-LSD für die Behandlung von Cluster-Kopfschmerz“ auf dieser Website.
Mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Im Rahmen der Umfrage-Studie konnten auch Daten erhoben werden, die zeigen welche Medikamente, wenn sie parallel zur Selbstbehandlung mit Psilocybin oder LSD eingenommen werden, deren Wirksamkeit beeinflussen können (Tabelle 2). Auch hierbei handelt es sich selbstverständlich nicht um unter kontrollierten Bedingungen erhobene wissenschaftliche Daten, sondern um systematisch gesammelte Einzelfallberichte. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Umfrageergebnisse lediglich ein begrenztes Spektrum von Medikamenten erfassen. Zudem schließen sie nicht aus, dass es auch zu anderen Reaktionen bei einzelnen Personen kommen kann.
Blockierung der Psilocybin/LSD Wirkung | Mögliche Blockierung | Keine Blockierung |
Triptane Ergotamine Dihydroergotamine Methysergid Prednison | Benzodiapine Bupropion Gabapentin 5-Hydroxytryptophan Ketanserin Kudzu Levothyroxin Lithium Melatonin Mianserin Ondasentron Opioide Prochlorperazine SSRI Topiramat Verapamil | Albuterol Antibiotika Aspirin Dimenhydrinat Insulin Meclizine NSAIDs Omeprazol (PPIs) Ranitidin (H2-Blocker) |
Tabelle 2: Effekte und mögliche Effekte von diversen Medikamenten auf die etwaige therapeutische Wirkung von Psilocybin oder LSD bei Clusterkopfschmerz (nach Sewell und Halpern 2007)
Mögliche Wirkmechanismen
Es ist schon lange bekannt, dass andere Mutterkornderivate wie etwa Methysergid, Ergotamin, Dihydroergotamin oder Methylergonovin Clusterkopfschmerzen günstig beeinflussen können, obgleich sie nicht die Eigenschaft besitzen, eine akute Clusterperiode zu unterbrechen oder die Remissions-Periode zu verlängern, sondern lediglich bei einigen Patienten eine prophylaktische Wirkung besitzen. Sie haben therapeutische Wirkung jedoch nur solange sie eingenommen werden, d.h. die Substanz im Organismus vorhanden ist. Außerdem vermindern sie nicht die Frequenz der Clusterkopfschmerzepisoden (?) und verlängern auch nicht die Remissionsperioden. Letztere Eigenschaft, nämlich die Remissions-Periode auszuweiten, haben offenbar nur Psilocybin und LSD.
Die enormen Wirkungen von Psilocybin und LSD können nicht alleine auf die Stimulierung oder Blockierung von Rezeptoren zurückgeführt werden, da ein Rezeptor abhängiger Mechanismus gewöhnlich nur so lange anhält, wie die Substanz am Rezeptor vorhanden ist. Es wäre auch vorstellbar, dass die Wirkungen über eine Anpassung der Rezeptoren zustande kommt, wie sie bei längerer Medikamenteinnahme auftreten kann. Bei der seltenen Einnahme von Psilocybin und LSD ist dies jedoch nicht zu anzunehmen.
Ein denkbarer Wirkmechanismus ist die Verstellung von einigen zirkadianen Rhythmen, die bei der Entstehung von Cluster-Kopfschmerz wahrscheinlich eine Rolle spielen, indem bestimmte Typen von Serotonin-Rezeptoren (Subtypen 1A und 7) angesprochen werden. Dabei könnte die Aktivierung bestimmter „Uhr-Gene“, welche auf zirkadiane Rhythmen im menschlichen Organismus einwirken, die nachhaltigen Effekte erklären (epigenetische Regulation). Im Forschungsfeld der Epigenetik ist jedoch noch vieles unklar, so dass es sich derzeit lediglich um ein Erklärungsmodell handelt.
Literaturverzeichnis
Gaul C, Diener H-C-, Müller OM (2011) Clusterkopfschmerz - Klinisches Bild und therapeutische Optionen. Deutsches Ärzteblatt 108 (33)
Karst M, Halpern JH, Bernateck M, Passie T (2010) The non-hallucinogen 2-bromo-lysergic acid diethylamide as preventative treatment for cluster headache: an open, non-randomized case series. Cephalalgia 30: 1140-4
Hintzen A, Passie T (2010) The pharmacology of LSD. Oxford, New York u.a.: Oxford University Press
Sewell A, Halpern JHH (2007) Response of cluster headache to psilocybin and LSD. Winkelman MJ, Roberts TB (eds.) Psychedelic medicine Vol. 1. Westport, CT, London: Praeger, pp. 97-123