Was ist Clusterkopfschmerz und was bringt die Behandlung mit Psilocybin, LSD und BOL-148?

von Prof. Dr. med. Torsten Passie und Prof. Dr. med. Matthias Karst
 

Obgleich sich die ersten Beschreibungen von Clusterkopfschmerz schon im 18. Jahrhundert finden, wurde das Krankheitsbild erst Mitte des 20. Jahrhunderts vollständig beschrieben. 

Clusterkopfschmerz tritt typischerweise einseitig auf, fast immer auf der gleichen Seite, obwohl diese – während verschiedener Cluster-Perioden – auch wechseln kann. Im Gegensatz zum Spannungskopfschmerz, welcher als dumpf und drückend beschrieben wird, ist der Clusterkopfschmerz scharf und bohrend sowie stetig und intensiv. Zumeist wird ein bohrender Schmerz unmittelbar hinter dem betroffenen Auge oder um das Auge herum wahrgenommen („wie ein Messer oder glühendes Eisen“). Fast immer tränt das Auge auch, das Augenlid hängt, die Nase auf der betroffenen Seite ist verstopft oder läuft und das Gesicht schwitzt auf der betroffenen Seite. Während Migräne-Patienten sich im Allgemeinen dann besser fühlen, wenn sie sich in einem abgedunkelten Raum hinlegen, sind die Clusterkopfschmerz-Patienten ruhelos und agitiert, fühlen sich gedrängt umherzugehen, gegen ihren Schädel zu drücken und manchmal sogar ihren Kopf gegen Wände oder Türen zu schlagen. Um das Ausmaß und die Intensität von Clusterkopfschmerz auch nur ansatzweise zu verstehen, ist es am Besten sich das Video einer Clusterkopfschmerz-Attacke dazu anzusehen:

Grundsätzlich werden der episodische und der chronische Clusterkopfschmerz unterschieden. Beim chronischen Clusterkopfschmerz treten die Attacken ununterbrochen (Symptompause maximal 4 Wochen) über Jahre hin täglich auf, meist mehrfach am Tag. Bei der episodischen Form kommt es zu Perioden, gewöhnlich von ein bis drei Monaten (daher der Name Cluster-Kopfschmerz), in denen die Kopfschmerzen mehrfach am Tag auftreten. Dann gibt es Phasen von Monaten und Jahren, in denen gar kein Kopfschmerz auftritt. In den meisten Fällen dauern die Cluster-Perioden zwischen sechs und zehn Wochen an und treten zweimal im Jahr auf. Auch wenn die Perioden und die Attackenhäufigkeit zwischen den Patienten variieren, so sind sie im jeweiligen Einzelfall doch erstaunlich gleichförmig.

Wenn die verordneten, prophylaktisch wirksamen Medikamente, die bei vielen Betroffenen die Attackenhäufigkeit reduzieren können, wenig Effekt zeigen und der Leidensdruck sehr hoch ist, kann es vorkommen, dass sich Clusterkopfschmerz-Patienten suizidieren. Daher rührt auch die Bezeichnung „Suizid-Kopfschmerz“ für den Clusterkopfschmerz.

Clusterkopfschmerz betrifft hauptsächlich junge Männer in ihren zwanziger Jahren. Sie können aber jederzeit auch in anderen Altersgruppen beginnen. Das Verhältnis von Männern zu Frauen liegt bei 3:1. Im Unterschied zu Migräne scheint es sich nicht um eine stark genetisch bedingte Erkrankung zu handeln, obgleich es in seltenen Fällen eine familiäre Häufung geben kann. Vermutlich sind andere Faktoren an der Entstehung des Clusterkopfschmerzes beteiligt.

Durch bildgebende Untersuchungen hat man herausgefunden, dass die Attacken mit abnormalen Aktivierungen im hinteren Hypothalamus zusammenhängen. Auch zirkadiane Rhythmen und damit einhergehende Hormonschwankungen dürften eine Rolle spielen. Die genaue Ursache von Clusterkopfschmerz ist jedoch nach wie vor nicht bekannt.

 

Die Behandlung von Clusterkopfschmerz

Zur Akutbehandlung von Clusterkopfschmerzen kommen die Einatmung von hochkonzentriertem Sauerstoff (7 bis 12 l) und der Einsatz von Triptanen, die auch bei Migränekopfschmerzen wirksam sind, in Betracht. Da im Unterschied zur Migräne die Attackendauer bei Clusterkopfschmerzen relativ kurz ist, sind nur solche Triptane zu empfehlen, die entweder subkutan (Sumatriptan) oder als Nasenspray (Zolmitriptan) gegeben werden. Bei der Sauerstofftherapie ist darauf zu achten, so früh wie möglich mit dem Einatmen von Sauerstoff zu beginnen, wobei eine möglichst dichte Maske und ein damit verbundener Reservoirbeutel empfohlen werden. Manchmal hilft auch das intranasale Einbringen von Lidocainlösung auf der betroffenen Seite.

Bei kurzen Kopfschmerzepisoden von wenigen Wochen kann zur Kurzzeitprophylaxe eine Kortisonstoßtherapie hilfreich sein. Dauert die Episode bei dem Betreffenden erfahrungsgemäß länger kann Verapamil gegeben werden, ein Mittel, das ursprünglich zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird. Um eine effektive prophylaktische Wirkung auf den Clusterkopfschmerz zu erzielen, müssen meist viel höhere Dosen im Vergleich zum ursprünglichen Anwendungsgebiet gegeben werden, was das Nebenwirkungsrisiko erhöht. Zu den typischen Nebenwirkungen von Verapamil gehören Benommenheit, Wasseransammlungen und eine Verlangsamung des Herzschlags. Lithium kann ebenfalls zur vorbeugenden Behandlung von Clusterkopfschmerzen eingesetzt werden. Allerdings müssen regelmäßig die Lithiumspiegel im Blut bestimmt werden, da höhere Gewebekonzentrationen zu Vergiftungserscheinungen führen können. Topiramat und seltener Methysergid sind weitere prophylaktisch wirksame Substanzen. Letztere ist in Deutschland nicht zugelassen und sollte wegen des Risikos für Bindegewebsvermehrungen im Körper nicht länger als 6 Monate eingenommen werden.

Bei einigen, besonders ausgewählten Patienten kann auch eine lokale Blockade des großen und kleinen Hinterhauptnervens mit örtlichem Betäubungsmittel (auch mit Zusatz eines Kortisonpräparats) auf der betroffenen Seite durchgeführt werden, wodurch bei überschaubaren Risiken teilweise gute Effekte erzielt werden können.

Versagen medikamentöse Verfahren kommen auch operative Verfahren in Betracht. Dazu gehören die elektrische Stimulation des großen Hinterhauptnervens, die elektrische Stimulation eines Nervenknotens unterhalb des Auges (Ganglion sphenoidale) und die elektrische Stimulation von Gehirngewebe im Bereich des Hypothalamus. Solche Behandlungen sind mit besonderen Risiken verbunden und kommen deshalb nur für Patienten in Betracht, bei denen die medikamentöse Therapie nicht geholfen hat und ein chronischer Clusterkopfschmerz besteht. „GammaCore“ (nicht invasive Vagusnervstimulation) wurde 2017 von der FDA zur Akutbehandlung bei episodischen Cluster-Kopfschmerzen zugelassen. Bei chronischen Cluster-Kopfschmerzen hatte die Scheinstimulation allerdings eine bessere Wirkung, als die tatsächliche Vagusnervstimulation. Zur vorbeugenden Behandlung gibt es keine Zulassung für das GammaCore Gerät.

 

Die Entdeckung Clusterkopfschmerz-Behandlung mit LSD und Psilocybin

„Patient zero“, ein in Schottland lebender Mann, ansonsten körperlich gesund, hatte seine erste Clusterkopfschmerz-Attacke im Alter von 16 Jahren. Seitdem traten die Attacken regelmäßig alle 6 bis 7 Monate auf. Sie bestanden aus ca. einen Monat anhaltenden Kopfschmerzattacken, die 4 bis 6 Mal pro Tag auftraten. Die Kopfschmerzattacken dauerten jeweils zwischen 30 und 180 Minuten. Die Schmerzintensität war extrem. Dem Patienten wurden verschiedene Medikamente verschrieben, die sich jedoch sämtlich als ineffektiv erwiesen. 1993, im Alter von 22 Jahren, nahm er mit Freunden zweimal LSD und war überrascht als die zu erwartenden Attacken im betreffenden Februar nicht auftraten. Über die nächsten Monate des  Jahres 1994 nahm er drei oder vier Mal LSD und die von ihm erwarteten nächsten Cluster-Perioden blieben jeweils aus. Im April 1995, als er für etwa ein Jahr kein LSD genommen hatte, erlebte er eine erneute Cluster-Periode und ihm wurden Propanolol und Amitryptilin verschrieben, die jedoch keine Wirkung zeigten. Da er nun den Verdacht hatte, dass sein LSD-Gebrauch das Auftreten der Clusterperioden verhindert hatte, nahm er im folgenden Oktober einige Psilocybin-haltige Pilze ein (das aus Pilzen stammende Psilocybin ist pharmakologisch mit LSD sehr nahe verwandt) und bemerkte erneut, dass die gewohnte Cluster-Periode im November dieses Jahres ausblieb. Danach, bis zum September 1996 nahm er alle drei Monate etwa 10-12 Psilocybin-Pilze ein und erlebte keinerlei Attacken mehr, bis er die regelmäßige Einnahme der Pilze unterbrach, um zu testen, inwieweit eine Beziehung zwischen ihrem Gebrauch und dem Nicht-Auftreten der Cluster-Perioden bestand. Im Januar 1998 erlebte er dann erneut eine Cluster-Periode, woraus er schlussfolgerte, dass eine Beziehung zwischen der Einnahme der Pilze und dem Ausbleiben der Cluster-Perioden bestand.

Seit dem Sommer 1998 nahm er alle sechs Monate Psilocybin-Pilze ein und war seitdem schmerzfrei. Seinen ersten Eintrag im Internet in dieser Sache machte er dann am 28. Juli 1998.

 

Das wissenschaftliche Studium der anekdotischen Hinweise auf die Wirksamkeit von Psilocybin und LSD auf Clusterkopfschmerzen

Angeregt durch einen Clusterkopfschmerz-Patienten wurden Forscher an der Harvard-Universität auf diese Selbstbehandlungs-Versuche mit Psilocybin und LSD aufmerksam. Dieser Patient hatte mittlerweile etwa 120 Fälle gesammelt, in denen die Einnahme von LSD oder Psilocybin zu einer effektiven Unterbrechung der Clusterperioden geführt hatte. Um die mögliche Effektivität dieser Behandlung zu erforschen, wurden noch 80 weitere Fälle ausfindig gemacht. Aus diesem Pool erfolgte nach medizinischen Gesichtspunkten eine Auswahl von Teilnehmern. Letztlich wurden 53 Patienten im Rahmen einer systematischen Umfrage interviewt. Ohne dass hier auf Details dieser Studie eingegangen werden kann, sollen einige wesentlichen Ergebnisse geschildert werden:

Dosis und Frequenz der Einnahme dieser Substanzen waren von Patient zu Patient recht verschieden. Die meisten Patienten beendeten die vorhergehende Behandlung mit anderen Medikamenten ca. 5 Tage bevor sie Psilocybin/LSD einnahmen. Einige Patienten nahmen ihre ursprünglichen Medikamente weiter ein und setzten daher nur kleine Dosen Psilocybin ein. In Bezug auf die Dosierung von Psilocybin gab es zwei verschiedene Vorgehensweisen: 1. Es wurden drei subhalluzinogene (d.h. keine psychischen Wirkungen erzeugende) Dosen von je 0,5 Gramm getrockneten Pilzen verteilt über einen Tag, und dasselbe noch mal fünf Tage später. eingenommen. Doch Vorsicht: Es ist aus den Angaben unklar um welche Pilzsorten es sich genau gehandelt hat. Da die Pilzsorten einen unterschiedlichen Gehalt an Psilocybin besitzen, ist große Vorsicht geboten. Eine höhere Dosis wurde nur dann eingesetzt, wenn sich dieses Vorgehen als ineffektiv erwies; 2. Es wurden eine oder drei gleiche Dosen von je 1,0 oder 1,5 Gramm Trockenpilzen in einer einzigen Sitzung eingenommen. Dies wurde ggf. in Fünf-Tages-Intervallen wiederholt. Die meisten Patienten passten die Dosis an das Ausmaß der Wirksamkeit auf die Kopfschmerz-Attacken an. Verfügten sie über keine Vorerfahrungen mit solchen Substanzen, nahmen sie zumeist kleine Dosen und steigerten diese erst dann, wenn sie feststellten, dass damit keine ausreichende Wirksamkeit zu erzielen war. Einige der Patienten nahmen die Trockenpilze auch in geringeren Zeitabständen ein. Interessanterweise benötigten sie in diesem Fall in der Regel mehr und größeren Dosen, um die Cluster-Periode zu beenden. Einige Medikamente, die nach den Ergebnissen der Umfrage mit der Einnahme von Psilocybin in Bezug auf die Clusterkopfschmerz-Behandlung interferieren können, sind in Tab. 1 angegeben. Doch ist darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich bisher keine wissenschaftlich valide Forschung stattgefunden hat. Somit handelt es sich lediglich um anekdotische Erfahrungsberichte.

 

Medikation

Wirksamkeit (N, %)

Teilweise wirksam

(N, %)

Unwirksam oder intolerabel

(N, %)

Gesamt

N

 

Abortiv

Sauerstoff

Triptane

Psilocybin

LSD

 

Prophylaktisch

Propranolol

Lithium

Amitriptylin

Verapamil

Prednison

Psilocybin

LSD

 

Remissionsverlängerung

Psilocybin

LSD

 

 

24 (51%)

33 (73%)

22 (85%)

  1 (50%)

 

 

  0 (0%)

  1 (5%)

  0 (0%)

  2 (5%)

15 (43%)

25 (54%)

  7 (88%)

 

 

20 (91%)

  4 (80%)

 

 

19 (40%)

  8 (18%)

  0 (0%)

  0 (0%)

 

 

  2 (9%)

  8 (40%)

  4 (16%)

22 (58%)

  5 (14%)

18 (39%)

  0 (0%)

 

 

  0 (0%)

  0 (0%)

 

 

  4 (9%)

  4 (9%)

  4 (15%)

  1 (50%)

 

 

20 (91%)

11 (55%)

21 (84%)

14 (37%)

15 (43%)

  3 (7%)

  1 (12%)

 

 

  2 (9%)

  1 (20%)

 

 

47

45

26

  2

 

 

22

20

25

38

35

46

  8

 

 

22 (31)

  5  (7)

 

Tabelle 1: Berichtete Effektivität einiger Behandlungen für Cluster-Attacken, Cluster-Perioden und präventive Behandlung (nach Sewell und Halpern 2007)

 

Die Patienten berichteten über hohe Erfolgsraten mit der Anwendung von Psilocybin und LSD. Dies sowohl für die Akutbehandlung der Kopfschmerzen, d.h. einem schnellen Rückgang der Kopfschmerzen als auch für die Prophylaxe von Cluster-Perioden. Die Ansprechraten waren in den meisten Fällen besser als sie für die gewöhnlichen Medikamente berichtet werden (Tabelle 1). Während die Prophylaxe mit konventionellen Medikamenten eine tägliche Einnahme des Medikaments bedingt, erfordert die Prophylaxe mit Psilocybin oder LSD nur die Einnahme von 1 bis 3 Dosen am Beginn oder vor Beginn einer Cluster-Periode. Knapp die Hälfte der 53 untersuchten Patienten hatten eine oder mehrere Dosen auch während des kopfschmerzfreien Intervalls eingenommen, um das erneute Auftreten einer Cluster-Episode zu verhindern. Von diesen berichteten 92%, dass die Einnahme von Psilocybin/LSD die vorhersehbare Cluster-Episode verhindern konnte. Die Autoren der Studie klassifizierten diese neuartige Medikamentenwirkung als „Remission-Extension“, d.h. eine Ausweitung der kopfschmerzfreien Periode ohne weitere Medikamenteneinnahme (s. folgendes Youtube Video ab Minute 10:10).

Von den 52 Teilnehmern, welche Psilocybin für die akute, prophylaktische oder die remissions-erweiternde Behandlung eingesetzt hatten, berichteten 42 % dass sie auch mit subhalluzinogenen Dosen eine therapeutische Wirkung erreichen konnten. Bei subhalluzinogenen Dosen von LSD zeigte sich nur bei 22 % eine Wirkung.

Etwa zwei Drittel(?) der Patienten berichteten, dass sie außerhalb der wenigen Einnahmen von Psilocybin oder LSD keine anderen prophylaktischen oder abortiven Medikamente mehr einnehmen mussten. Etwa 13 % der Patienten nahmen weiterhin konventionelle Medikamente zusätzlich ein.

Der 38. Patient, der in Anlehnung an das Vorgehen des schottischen Patienten begann, Psilocybin einzunehmen, war Bob Wold, der spätere Gründer der Selbsthilfeorganisation Cluster Busters. Er ist ein 60-jähriger Mann ohne sonstige körperliche Erkrankungen und leidet seit dem 20. Lebensjahr unter episodischem Clusterkopfschmerz. Die Cluster-Episoden traten während sechs oder sieben Monaten des Jahres auf. Die Attackenfrequenz betrug zwischen drei und zwölf Attacken pro Tag, jede etwa 45 Minuten lang, vorwiegend linksseitig. Im Jahre 2001 nahm er 2 g Psilocybin-haltige Pilze ein und war erstaunt, dass er für etwa 12 Stunden schmerzfrei war. Am Folgetag nahm er nochmals eine solche Dosis ein und erlebte wiederum 12 schmerzfreie Stunden. Dann, über einige Wochen hin, reduzierte er kontinuierlich seine sonstigen Medikamente (15 zu diesem Zeitpunkt) und nahm eine dritte Dosis Psilocybin-Pilze ein. Dies beendete unmittelbar die gesamte Cluster-Periode, vier Monate früher als gewohnt. Während der folgenden Cluster-Perioden fand er heraus, dass eine Dosis Psilocybin nicht nur die aktuelle Attacke unterbrach, sondern außerdem Schmerzfreiheit für etwa 24 Stunden brachte. Später zeigte sich, dass zwei oder drei wiederholte Dosen im Abstand von fünf Tagen, die gesamte Cluster-Periode beendet. Er fand außerdem heraus, dass die Einnahme einer Dosis Psilocybin alle 3-6 Monate während der Remissionsperiode das Auftreten einer neuen Clusterperiode präventiv verhindert.

 

Gefahren und Kontraindikationen

Die Beschaffung von Substanzen wie Psilocybin und LSD ist in Deutschland und in den meisten europäischen und nicht-europäischen Ländern illegal und strafbar, die Einnahme dagegen nicht.

Obgleich Psilocybin und LSD erfahrungsgemäß in den üblichen Dosierungen und in der seltenen Einnahmehäufigkeit keine Schädigungen an Körperorganen hervorrufen, gibt es für deren Einnahme (gemäß den Forschungsergebnissen der letzten 50 Jahre) einige Kontraindikationen, d.h. Bedingungen oder körperliche Erkrankungen, unter denen eine Einnahme keinesfalls erfolgen sollte. Menschen mit gravierenden Leber- oder Nierenerkrankungen sollten diese Substanzen nicht einnehmen. Auch Menschen mit Psychose-Erkrankungen, anderen gravierenden psychischen Erkrankungen, aktueller oder chronischer psychischer Labilität und einem Krampfleiden (Epilepsie) sind besonders gefährdet, dass Störwirkungen auftreten. Sie sollten keine der genannten Substanzen einnehmen.

Auch die Einnahme durch körperlich und psychisch gesunde Menschen ist mit nicht unerheblichen Risiken behaftet. Bekanntermaßen können die Wirkungen dieser Substanzen psychisch stark irritierend sein, da sie Pseudo-Halluzinationen, verstärkte Gefühlszustände, psychische Irritationen und Denkstörungen hervorrufen. Das Zusammenwirken dieser Erscheinungen kann leicht zu problematischem Verhalten führen. Auch ist bekannt, dass manche Menschen mit Angst und bizarren psychischen Erscheinungen auf die Einnahme reagieren können. Allerdings sind auch positive und einsichtsfördernde Erlebnisse möglich, weshalb diese Stoffe auch in der Psychotherapie Verwendung finden.

Aus ärztlicher und wissenschaftlicher Sicht sollten allerdings solche Substanzen grundsätzlich nicht außerhalb von klinischen Studien eingesetzt werden. Zur Minimalanforderung an die Durchführung solcher Studien gehören geschützte Umstände (ruhige und störungsfreie Umgebung) sowie die Begleitung durch eine erfahrene Person während des veränderten Bewusstseinszustandes.

Ist ein nicht-halluzinogener LSD-Abkömmling die Lösung?

Nachdem an der Harvard-Universität die Umfrage über die Selbstbehandlung von Cluster-Kopfschmerz mit LSD und Psilocybin abgeschlossen war, plante man dort eine Behandlungsstudie mit LSD. Zu dieser Zeit arbeiten wir mit dem Team in Harvard zusammen. Nachdem wir den Plan für eine LSD Studie in Harvard, trotz seriösem Studienplan und Geldgebern, nicht durchsetzen konnten, begannen wir aus der Vielzahl der bekannten Abkömmlinge von LSD diejenigen näher zu sondieren, die eine große Ähnlichkeit mit LSD haben, aber vielleicht weniger ‚Nebenwirkungen‘ (vgl. Hintzen & Passie 2010). Letztlich wählten wir 2-Bromo-LSD aus; eine Substanz die Hofmann, der Entdecker des LSD, als einen ‚LSD-Placebo‘ entwickelt hatte. Die auch mit dem Codenamen BOL-148 bezeichnete Substanz hat gemäß den älteren Versuchsreihen eine genauso starke „Anti-Serotonin-Wirkung“ wie LSD, versursachte aber keine psychischen Effekte. Nachdem wir eine kleine Menge hatten herstellen lassen und erhalten hatten, starteten wir die Behandlung von 5 Patienten, die nicht auf konventionelle Behandlungen angesprochen hatten. Schon die ersten dieser Heilversuche ließen erkennen, dass BOL-148 mindestens so wirksam wie LSD war (Karst et al. 2010). Es hat den Vorteil nur sehr geringe Nebenwirkungen, insbesondere keinerlei halluzinogene Wirkungen, zu haben (Näheres siehe den Abschnitt „Die Entdeckung von 2-Bromo-LSD für die Behandlung von Cluster-Kopfschmerz“ auf dieser Website.

 

Mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Im Rahmen der Umfrage-Studie konnten auch Daten erhoben werden, die zeigen welche Medikamente, wenn sie parallel zur Selbstbehandlung mit Psilocybin oder LSD eingenommen werden, deren Wirksamkeit beeinflussen können (Tabelle 2). Auch hierbei handelt es sich selbstverständlich nicht um unter kontrollierten Bedingungen erhobene wissenschaftliche Daten, sondern um systematisch gesammelte Einzelfallberichte. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Umfrageergebnisse lediglich ein begrenztes Spektrum von Medikamenten erfassen. Zudem schließen sie nicht aus, dass es auch zu anderen Reaktionen bei einzelnen Personen kommen kann.

 

Blockierung der Psilocybin/LSD Wirkung

 

Mögliche Blockierung

Keine Blockierung

Triptane

Ergotamine

Dihydroergotamine

Methysergid

Prednison

Benzodiapine

Bupropion

Gabapentin

5-Hydroxytryptophan

Ketanserin

Kudzu

Levothyroxin

Lithium

Melatonin

Mianserin

Ondasentron

Opioide

Prochlorperazine

SSRI

Topiramat

Verapamil

 

Albuterol

Antibiotika

Aspirin

Dimenhydrinat

Insulin

Meclizine

NSAIDs

Omeprazol (PPIs)

Ranitidin (H2-Blocker)

 

Tabelle 2: Effekte und mögliche Effekte von diversen Medikamenten auf die etwaige therapeutische Wirkung von Psilocybin oder LSD bei Clusterkopfschmerz (nach Sewell und Halpern 2007)

 

 

Mögliche Wirkmechanismen

Es ist schon lange bekannt, dass andere Mutterkornderivate wie etwa Methysergid, Ergotamin, Dihydroergotamin oder Methylergonovin Clusterkopfschmerzen günstig beeinflussen können, obgleich sie nicht die Eigenschaft besitzen, eine akute Clusterperiode zu unterbrechen oder die Remissions-Periode zu verlängern, sondern lediglich bei einigen Patienten eine prophylaktische Wirkung besitzen. Sie haben therapeutische Wirkung jedoch nur solange sie eingenommen werden, d.h. die Substanz im Organismus vorhanden ist. Außerdem vermindern sie nicht die Frequenz der Clusterkopfschmerzepisoden (?) und verlängern auch nicht die Remissionsperioden. Letztere Eigenschaft, nämlich die Remissions-Periode auszuweiten, haben offenbar nur Psilocybin und LSD.

Die enormen Wirkungen von Psilocybin und LSD können nicht alleine auf die Stimulierung oder Blockierung von Rezeptoren zurückgeführt werden, da ein Rezeptor abhängiger Mechanismus gewöhnlich nur so lange anhält, wie die Substanz am Rezeptor vorhanden ist. Es wäre auch vorstellbar, dass die Wirkungen über eine Anpassung der Rezeptoren zustande kommt, wie sie bei längerer Medikamenteinnahme auftreten kann. Bei der seltenen Einnahme von Psilocybin und LSD ist dies jedoch nicht zu anzunehmen.

Ein denkbarer Wirkmechanismus ist die Verstellung von einigen zirkadianen Rhythmen, die bei der Entstehung von Cluster-Kopfschmerz wahrscheinlich eine Rolle spielen, indem bestimmte Typen von Serotonin-Rezeptoren (Subtypen 1A und 7) angesprochen werden. Dabei könnte die Aktivierung bestimmter „Uhr-Gene“, welche auf zirkadiane Rhythmen im menschlichen Organismus einwirken, die nachhaltigen Effekte erklären (epigenetische Regulation). Im Forschungsfeld der Epigenetik ist jedoch noch vieles unklar, so dass es sich derzeit lediglich um ein Erklärungsmodell handelt.


Literaturverzeichnis
 

Gaul C, Diener H-C-, Müller OM (2011) Clusterkopfschmerz - Klinisches Bild und therapeutische Optionen. Deutsches Ärzteblatt 108 (33)

Karst M, Halpern JH, Bernateck M, Passie T (2010) The non-hallucinogen 2-bromo-lysergic acid diethylamide as preventative treatment for cluster headache: an open, non-randomized case series. Cephalalgia 30: 1140-4 

Hintzen A, Passie T (2010) The pharmacology of LSD. Oxford, New York u.a.: Oxford University Press

Sewell A, Halpern JHH (2007) Response of cluster headache to psilocybin and LSD. Winkelman MJ, Roberts TB (eds.) Psychedelic medicine Vol. 1. Westport, CT, London: Praeger, pp. 97-123