Ein Gespräch zwischen einer Psychologin und einem Arzt

Psychologin (Ps): Am Anfang war ich sehr skeptisch. Denn ich halte viel von Widerständen in dem Sinne, dass sie auch nützlich sind und weggehen, wenn es angesagt ist. Meiner Erfahrung nach taucht in den psycholytischen Sitzungen jedoch nur das Material auf, was angebracht ist und verarbeitet werden kann; ohne dass das erneut traumatisiert. Da war ich am Anfang ziemlich skeptisch, inwieweit solche Widerstände zu sehr übergangen werden. Ich habe aber gesehen, dass Widerstände auch unter der Medikamentenwirkung noch existieren können. Ich habe es nie erlebt, dass ich das Gefühl hatte, es wäre zu weit gegangen.

A: Ein Patient hat berichtet, dass Herrn Leuner Recht hatte mit der Behauptung, dass es eine innere Regulation gebe, die das für einen schon bekömmlich gestalten würde. Sie haben angesprochen, dass Material, Phantasien, Bilder hochkommen oder sichtbar werden. Wie Sie in der Selbsterfahrung erlebt haben, gibt es auch eine neuartige Einsichten unter dem Einfluss der Mittel. Können Sie darüber noch etwas sagen?

Ps: Ich denke, dass Einsichtsprozesse gefördert werden können, weil dieses Material, die Bilder, in dem anderen Bewusstseinszustand mit anderen Assoziationen verknüpft werden. Dadurch, dass das bildhaft und von mehreren Seiten aus betrachtet wird und die Erfahrungsebene eine größere Dimension gewinnt, bekommt das mehrere Ebenen und es stellen sich neue Verbindungen her. Vollkommen neue Gedankengänge können darunter sein. Für derartige Einsichtsgenerierung ist es wichtig, dass das Problem mal aus anderen Blickwinkeln gesehen wird. Das kann dann therapeutisch noch unterstützt werden. Ich hatte den Eindruck, dass auf diese Weise Grundbausteine für eine veränderte Wahrnehmung der eigenen Vergangenheit, Konflikte und Bedürfnisse entstehen können.

A: Grundbausteine im Bezug auf Einsichten oder neuen Assoziationen?

Ps: Ich habe das unterschiedlich erlebt: Entweder unterschiedliche Assoziationen, auf die dann aufgebaut werden konnte, zum Beispiel im Nachgespräch, und auch Aha-Erlebnisse, spontane Einsichten und Herstellung von neuen „klärenden“ Zusammenhängen.

A: Es ist ja beeindruckend, in der Selbsterfahrung selbst zu erleben, wie so ein Aha-Erlebnis zustande kommt durch diese Art von „Zusammenassoziieren“?

Ps: Ja, das mit den verschiedenen Ebenen, das habe ich selbst besonders eindrücklich erlebt. So wie die tiefste Ebene in die oberflächlichste wechselte, in der man prinzipiell - im Vergleich mit den tieferen Ebenen - deutlich weniger mitkriegt; das fand ich eine faszinierende Erfahrung. Das Bewussthaben dieser tieferen Ebenen, das hätte ich gern öfters oder immer.

A: Das macht bewusst wie die verschiedenen Ebenen ständig inbegriffen sind in unserem Erleben und Verhalten. Können Sie noch etwas dazu sagen, worin Sie den besonderen Profit für die Patienten gesehen haben?

Ps: Manchmal haben sie glatt gesagt, dass es wirkt. Doch die Methode ist nur das eine, der/die TherapeutIn dazu macht sehr viel aus. Der Patient oder die Patientin muee nach Möglichkeit mit diesen beiden Faktoren gut zurechtkommen. Wichtig ist auch, dass er oder sie spürt: die Psycholyse, das bringt mir was; damit sie damit umgehen und in sich gehen können - mit therapeutischer Begleitung. Von daher muss vor allem die Beziehung stimmen. Letztlich ist es aber wichtig, dass alle 3 Komponenten beteiligt sind. Bei den Patienten, die ich betreut habe, bei denen war das so, dass das gepasst hat.

A: Bei normalen Neurotikern oder Menschen, die nur „neurotische Anteile“ haben, zeigt sich immer wieder, dass das Einfließenlassen der Erfahrung im veränderten Bewusstsein, jenes sich-der-Erfahrung-hingeben, viel besser gelingt, weil im Hintergrund für diese Leute immer wieder ein Positivum spürbar ist in ihrem Innern. Sicherheit und ein Gefühl des Vertrauens sind oft zentral für die Behandlung; sind häufig das, was den schwerer Beeinträchtigten eigentlich im Innersten fehlt. Das scheint mir eine der wesentlichen Ursachen zu sein, warum die sogenannten therapieresistenten Patienten sich auf konventionelle Therapien nicht einlassen können, weil sie ihrem Inneren und auch Beziehungen gegenüber so „unvertrauend“ eingestellt sind. Ich habe besonders bei den Selbsterfahrungssitzungen von BetreuerInnen bzw. KollegInnen gesehen, dass sich bei quasi Gesunden viel einfacher etwas anregen lässt und auch viel schneller produktive Einsichten gewonnen werden können. Das liegt wohl daran, dass deren Assoziationsnetzwerke flexibler, weniger komplexgebunden sind und sich auch ein Aufschließen und Durchdringen verschiedener Ebenen günstiger und harmonischer gestaltet. Durch ein insgesamt mehr von Vertrauen getragenes innerpsychisches Milieu kommt es eher zu produktiven Erkenntnissen und weniger zu Verkrampfungen. Aber die kommen sicher auch mal vor. Bei den therapieresistenten Patienten ist es dagegen so, dass zwar mal eine zusammenhängende Einsicht vorkommt, aber am Anfang der Behandlung meist Anspannung und Verkrampfungen vorherrschen. Das ist die grundsätzliche Tendenz bei diesen Leuten; während es bei den quasi-normalen doch eher flüssiger läuft. In diesem Zusammenhang sind auch die von einigen Patienten erlebten sogenannten transpersonalen Erfahrungen von Interesse. Wenn man damit in anderen Zusammenhängen als kleinen Behandlungszimmerchen, etwa in Gruppenprozessen oder auch in günstigeren äußeren Settings arbeitet, kann das bedeutend mehr auftreten. Allerdings war Leuner jemand, der diese Erfahrungen nicht so befördern wollte, weil er ein religiöses und transpersonales Erleben eher als eine regressive Ausweichproblematik gesehen hat. Es war jedoch bei den betreffenden Patienten deutlich sichtbar, dass sie in den von transpersonalen Erlebnissen geprägten Sitzungen enorme Einsichten generiert haben. Das waren Einsichten, die in Teilen schon weit über das normale Verstandesvermögen hinausgingen. Solche Erlebnisse mit ihren mystischen Qualitäten, können auch ein vielleicht defizitäres Urvertrauen mit „vertrauensseligen“ Empfindungen aufsättigen und damit das Welterleben grundlegend ändern.

Es ist auch interessant, wie unmittelbar sich den Patienten das in den Sitzungen generierte Material darstellt; wie das Verändern von Assoziationen und bisherigen Denkweisen aufgenommen wird. Einsichten manifestieren sich in ganz unmittelbar und erscheinen nicht als etwas von außen in sie Hineingelegtes. Viele Patienten haben berichtet, dass man in Therapien ihnen habe etwas aufdrücken wollen, in einer bestimmten Richtung gebohrt habe und was unterstellt hätte, worin sie sich nicht hätten wiederfinden können. Was soll eine Therapie machen, die nicht von innen her stimuliert? Die kann nur versuchen, von außen her zu stimulieren. Dann ist der Therapeut aber wieder mit dem Charakterpanzer, dem Unvertrauen konfrontiert und die Patienten sagen: Öh, tun Sie mir da nicht weh und drücken Sie mir da nicht rum ... Das ist halt bei der Psycholyse anders, da können sie mittels der aus ihnen selbst im veränderten Bewusstsein hervorgehenden Erfahrungen und Einsichten nach und nach diese Panzerung von innen her auflösen.

Ps: Das weist indirekt auch auf ein Problem hin, durch welches die Leute eine Fehleinstellung entwickeln können. Sie bekommen ja das Medikament und „das macht das schon“. Dass man vom medizinischen Modell sehr darauf eingestellt ist, begünstigt eine solche Haltung. Da muß man als Therapeut drauf achten, ja sogar ein bißchen gegen ankämpfen.
Wenn sie - wie hier - das Material aus sich selbst heraus produziert haben, dann gibt es aber auch ein Bedürfnis, darüber zu sprechen und das zu integrieren. Wenn die Leute dann noch spüren, es findet ein kompetenter Umgang damit statt, dann sind sie auch bereit, sich darauf einzulassen. Trotzdem gibt es einige Fälle wo diese passive Grundhaltung ein ernstes Problem darstellt. Manch einen hat Professor Leuner ganz schön „in den Hintern getreten“, bis der aus dieser Haltung rauskam. Mich hat gewundert, dass die Leute da tatsächlich rausgekommen sind. Irgendwie scheint diese Fixierung doch nicht so groß zu sein, da das Material starke Anreize für eine psychologische Betrachtung und Bearbeitung in sich trägt. Wobei durch die Vorgespräche oft schon eine Richtung vorgegeben sein kann. Allerdings wird diese Richtung aus den biographischen und aktuellen Zusammenhängen mit dem Patienten erarbeitet. Fokusbildung hat Leuner das genannt. Dadurch entsteht eine gewisse Befangenheit, die sich aber meist positiv auswirkt, da sich das Erleben in Richtung des Fokus häufig sehr produktiv gestaltet. Im Unterschied dazu gibt es ja auch Drogenfreaks, die es verstehen, das Erleben so zu lenken, dass es weitestgehend unproduktiv bleibt und sich nur ein Zustand „vermeidenden Genießens“ einstellt.