Ekstatische Erfahrungen in einer LSD-unterstützten Psychotherapie

Von Prof. Dr. Torsten Passie und Dr. Peter Gasser

 

Eine gängige psychische Reaktion auf die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung ist die Tendenz, sich zu isolieren und in eine Art „inneren Rückzug“ zu gehen. Es handelt sich um eine durch Angst getriggerte Einengung des intrapsychischen, aber auch interpersonalen Erlebens. Diese Reaktionsweise, aber auch die Behandlung von Ängsten mit Tranquilizern, ist kontraproduktiv, da sie das Bewusstsein vermindert oder einengt und es dadurch dem Patienten erschwert oder gar verunmöglicht, die erforderlichen Klärungsprozesse im Inneren und seiner Beziehungswelt anzugehen.

Der Gebrauch bewusstseinsverändernder Drogen für religiöse und heilende Zwecke ist seit Jahrtausenden bekannt. So wurden und werden meskalinhaltige Kakteen oder psilocybinhaltige Pilze seit Jahrtausenden dafür eingesetzt (Schultes und Hofmann 1980). Als die intensiven psychischen Wirkungen von LSD (Lysergsäurediäthylamid) 1943 entdeckt wurden, folgte eine Periode wissenschaftlicher und therapeutischer Untersuchungen. LSD wurde zur Behandlung von Angst, Depressionen, psychosomatischen Erkrankungen und Süchten eingesetzt („psycholytische“ und „psychedelische“ Therapie) (Abramson 1967, Leuner 1981). Nach Kasts zufälliger Entdeckung der Wirkungen von LSD auf das psychische Wohlbefinden bei terminalen Krebspatienten (Kast 1967) wurden auch dazu Studien unternommen (z.B. Pahnke et al. 1970; Grof und Halifax 1979).

Nach einer Unterbrechung der Humanforschung mit LSD für über 40 Jahre sollten in der hier beschriebenen Studie zwei medizinisch supervidierte LSD-Sitzungen, eingebunden in eine mehrmonatige Psychotherapie, bei Patienten mit existenzieller Angst durch die Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung untersucht werden. Methodik und Aufbau der Studie können anderen Publikationen entnommen werden (Gasser et al. 2014, 2015).

In diesem Artikel wollen wir einige der von den Patienten gemachten subjektiven Erfahrungen und deren Langzeitwirkungen darstellen. In einer qualitativen Studie wurden die Patienten mit halbstrukturierten Interviews untersucht und diese nach inhaltsanalytischer Methode ausgewertet (Mayring und Glaeser-Zikuda 2008; Gasser et al. 2015).

 

Wirkungen von LSD

LSD ruft in mittlerer Dosierung (150–200 Mikrogramm per os) einen traumartig veränderten Bewusstseinszustand hervor. Gefühlserleben und Imaginationstätigkeit sind gesteigert. Auch das sensorische Erleben ist intensiviert, mit illusionären Veränderungen gesehener Objekte bis zu Trugwahrnehmungen. Die gedankliche Tätigkeit ist beschleunigt, ihr Gegenstandsbereich geweitet und angereichert mit neuen Assoziationen und Bedeutungszuschreibungen. Auch gesteigerte Erinnerungsprozesse (Hypermnesien) kommen vor. Die Identifikation mit den Ich-Grenzen ist geschwächt, die seelische Verfassung insgesamt gelockert („Psycholyse“ = Seelenlösung). Das veränderte Erleben vollzieht sich bei klarem Bewusstsein und gutem Erinnerungsvermögen. Die Wirkungen von LSD dauern für 6–9 Stunden an (Passie et al. 2008).

LSD wurde aus psychotherapeutischer Sicht beschrieben als ein „unspezifischer Verstärker des Unbewussten“ (Grof 1978, Leuner 1962), da es die latente Psychodynamik der Patienten aktiviert und Zugang zu „unbewussten“ Gedanken, Assoziationen, Gefühlen und inneren Prozessen gewährt. Diese können dann in der begleitenden Psychotherapie bearbeitet bzw. integriert werden. Einige Personen berichten auch über perspektivenändernde und tief berührende religiös-mystische Erfahrungen während der LSD-Wirkung (Pahnke 1969).

Es ist hier nicht der Ort, um auf die (neuro-)biologischen Wirkungen von LSD detaillierter einzugehen. LSD vermittelt seine Wirkungen hauptsächlich über das Neurotransmittersystem mit dem Botenstoff Serotonin. Verschiedene Rezeptoren dieses Systems werden durch LSD aktiviert, wodurch eine Veränderung in der Funktions-Matrix des menschlichen Gehirns verursacht wird. Grob gesprochen kommt es zu einer verstärkten Aktivität im limbischen System (dem „Zentrum des Gefühlslebens“) und im Vorderhirn (dem Zentrum von Selbststeuerung und Situations-Eruierung) (Vollenweider et al. 1997; Gouzoulis-Mayfrank et al. 1999). Daher ist es plausibel, dass emotionales Erleben verstärkt wird, während das epikritische Wachbewusstsein in den Hintergrund tritt. Außerdem scheinen seelische Umstrukturierungsprozesse begünstigt zu werden (Grof 1983, Leuner 1962).

 

Eine Studie zur LSD-unterstützten Psychotherapie

In der vorliegenden Studie wurden 12 Patienten mit der Diagnose einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Rahmen einer doppelblinden und placebo-kontrollierten Studie nach modernen methodischen Standards behandelt.

In der hier gegebenen Darstellung sollen aus der Patientenperspektive essentielle Elemente der subjektiven Erfahrungen und jener Veränderungen, welche die Patienten bezüglich Selbstwahrnehmung und Weltsicht erfahren haben, dargelegt werden.   

 

Lediglich ein Diagramm zu quantitativen Veränderungen sei hier aus der Studie angeführt. In diesem sind die unter der Behandlung aufgetretenen Veränderungen in Bezug auf das „Symptom Angst“, welches auch der primäre Outcome-Messfaktor war, dargestellt (Abb. 1). Das benutzte Messinstrument war das Spielberger State Trait Anxiety Inventory (STAI) (Spielberger et al. 1970). Dieses misst sowohl die Zustandsangst (State-Anxiety), wie sie z. B. am Tag der Untersuchung bei der Person vorhanden war, als auch jene Angst, die der Persönlichkeit dauerhaft inhärent ist (Trait-Anxiety). Klar wird anhand des Diagramms, dass die erzielten Verbesserungen dauerhaft sind, da die Patienten noch ein Jahr später ein gleichermaßen abgesenktes Angstniveau hatten. Wie es scheint, kann mit LSD-unterstützter Psychotherapie – im Unterschied zu konventionellen Psychotherapie-Verfahren – nicht nur die Zustandsangst verbessert, sondern tiefer in die Person hinein entängstigend gewirkt und auch die Trait-Angst vermindert werden. Dies ist jedoch nicht auf das Pharmakon zurückzuführen, sondern auf die Erfahrungen, die unter LSD-Wirkung gemacht werden.

 

Ergebnisse einer Studie zum subjektiven Erleben

In den Interviews berichteten etwa 80 Prozent der Patienten über eine starke Verminderung von Ängsten, etwa zwei Drittel auch über eine deutlich verringerte Angst vor dem Tod und eine verbesserte Lebensqualität. Die meisten Patienten berichteten über „positive Persönlichkeitsveränderungen“ wie eine Zunahme von Offenheit und eine vertiefte Wahrnehmung. Sie fühlten sich entspannter und empfanden sich als geduldiger im Umgang mit sich selbst und anderen (vgl. Gasser et al. 2015).

Es ist hier selbstverständlich nicht möglich, die vielfältigen Erlebnisbeschreibungen und Statements wiederzugeben, wie sie in den Interviews gegeben wurden. Die ausgewählten Zitate sollen dazu dienen, Kernelemente der subjektiven Erfahrung zu illustrieren und – wenn möglich – deren Beziehungen zu den dauerhaften Veränderungen aufzuzeigen. Wir haben die Zitate unter Überschriften versammelt, die den wesentlichen Inhalten der Statements entsprechen.

 

1. Verstärkter Zugang zu Gefühlen und Katharsis

LSD verstärkt das Gefühlserleben. Dabei gibt es keine Bevorzugung von positiven oder negativen Emotionen. Die ausgewählten Zitate zeigen, dass LSD die Patienten für gefühlsbetonte Erfahrungen öffnet, auch gegenüber solchen, die gewöhnlich von der bewussten Wahrnehmung ausgeschlossen sind. Eine Intensivierung der Gefühle führt oft zu deren kathartischem Ausdruck (z.B. Lachen, Weinen, Sich-Bewegen).

Patient 7 berichtet: „Was für mich sehr, sehr wichtig gewesen ist, dass ich wirklich Zugang zu meinen Gefühlen bekommen habe, die relativ weit innen gewesen sind. Verdrängt, verdrückt, also wie eine Spannung. Ich bin zwar durch eine Schwere und Traurigkeit durch, aber ich habe alle Gefühle sehr intensiv erlebt. Geräusche, Musik, und eben Gefühle. Das hat sich nachher gelöst“.

Patient 12 schildert das Auftauchen lange verborgener Gefühle. Ich hatte stark den Eindruck, dass Dinge gesehen werden können, die gewöhnlich unter der Oberfläche liegen. ... Eine Menge von Gefühlen war für lange Zeit verborgen gewesen und wurde überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Die wurden dann unglaublich präsent in dem Zustand, der eine Art Durchbruch bedeutete“.

Ähnliches schildert auch Patient 5: „... Dass die LSD-Sitzung mit der Dosis selbst eben halt bestimmte Dinge in meinem Körper freisetzt. Und auch in meinem Geist freisetzt, die vielleicht unter normalen Umständen gar nicht zum Vorschein gekommen wären, weil sie eventuell unterdrückt worden wären oder waren. Und ich meine, ich hab schon bestimmte befreiende Momente für mich gespürt. Dass ich die Last der Angst und des Körpers etwas loslassen konnte“.

Auch Patient 1 spricht von einer stark intensivierten Gefühlserfahrung, die er durchleben musste. „... in der Therapie hat man mich gut aufgefangen. Körperlich dicht, in dem Moment hab ich das auch gebraucht. Aufgefangen und gehalten. Das hat mich auch bestärkt, den Gefühlen freien Lauf zu lassen. Es war erleichternd. Nachher konnte ich wieder lachen drüber. Das ist halt auch eine schwankende Gefühlswelt in den acht Stunden, die man da durchlebt“.

Die Zitate suggerieren, dass die Patienten von den intensiven Erfahrungen profitiert haben.

 

2. Das Erleben von Erfahrungen in veränderter Perspektive

LSD ist bekannt für seine Eigenschaft, den gewöhnlichen Referenzrahmen, insbesondere im Hinblick auf kognitive Konzepte und Haltungen, stark zu verändern. Dies führt zu veränderter Kontextualisierung und Bewertung von Erfahrungen und Personen. Ein besonders relevanter Aspekt eines solchen Sich-Lösens von vorgefassten Schemata des Denkens und Erlebens („De-Schematisierung“) ist ein Wechsel der Perspektive, d.h. des Rahmens, in welchem eine Person sich selbst, die Anderen und vergangene Erfahrungen betrachtet.

Patient 6 berichtet über einen strukturell veränderten Zugang zur eigenen Erfahrungswelt. Ich glaube, ... dass die Amygdala [das Furchtzentrum in Gehirn] außer Kraft gesetzt wird. Diese Weiche, die sofort beurteilt: gut oder schlechte Erfahrung; dass die einfach mal außen vor gelassen wird. Dass die Sachen einfach erst mal auf mich zu rauschen und dann schauen, was ich damit mache“.

Patient 10 erlebte eine Perspektiven-Änderung: „[In den LSD-Erfahrungen] konnte [ich] nicht in meinen Keller gehen, wie ich es eigentlich gewünscht habe, sondern ich war oben bei diesem Licht. Dann hab ich so ein Bild gesehen: Ich bin der Kapitän auf dem Schiff und bin ein bisschen verwirrt und da sagt der Steuermann: ‚Der Alte, der weiß auch nicht, was er will. Was für einen Kurs soll ich denn jetzt steuern?‘ Und der Alte weiß nicht so recht. ... In der Sitzung hat er gesagt: ‚Ja, oben im Ausguck sitzt ja die Sophia, die Weisheit‘. Die könnte ich ja mal fragen: ‚Wie sieht's denn aus? Wo sind wir eigentlich?‘ Und dann hat das Zusammenwirken von Sophia, der Weisheit, und dem Kapitän einfach das Steuer übernommen und der Steuermann hat gesagt: ‚Uff, Gott sei Dank‘“.

Eine gute Metapher für diese unter LSD-Wirkung möglichen Perspektivänderungen ist ein fotografisches Linsenobjektiv, welches sowohl fokussieren und Dinge näher bringen kann als auch Beobachtungen aus einer distanzierteren Perspektive ermöglicht. Die bewusste Erfahrung kann sich auch verbreitern. Sie ermöglicht dann – einem Weitwinkel-Objektiv vergleichbar – eine erweiterte Sicht auf ein umfassenderes Bild; mit neuen Aspekten und Zusammenhängen, das neue Deutungen erlaubt. Die folgenden Zitate geben Beispiele für Veränderungen von Perspektiven und konzeptuellen Sichtweisen.

Patient 1 erlebt eine erweiterte Sicht auf sich selbst und die Erkrankung. ... dann konnte ich mich auch ganz gut fallen lassen. Ich hatte dann auch Gelegenheit, mich zu entspannen. Wir mussten da jetzt nicht ständig im Gespräch bleiben. Das war ganz gut. Ich hab dann eher meine Innenwelt angeschlossen. Die Augen geschlossen ... es ging da weniger um meine Erkrankung. Das konnte ich da relativieren. Was meine Person anbelangte, das war in dem Moment nicht mehr so wichtig. Es ging dann eher so um weltumspannende Themen ... die Menschheitsentwicklung. Die ganze Evolution ist so an mir vorbeigerauscht ... Hab dann gesehen, dass der Mensch eine geistige Entwicklung eingeleitet hat. Das erste Wesen, das eine neue Sphäre entwickelt hat“.

Patient 10 erkannte den Tod in veränderter Perspektive, denn „... das Sterben [ist] genauso gewöhnlich oder ungewöhnlich ist wie das Leben selbst. Man kann es nicht trennen. Muss ich mich einfach mit der Idee oder mit dem Vorgang vertraut machen. Und das ist zum Beispiel eine Sache, die eine LSD-Sitzung unbezahlbar macht“.

 

3. Veränderung des Grundgefühls während der LSD-Erfahrung

Praktisch alle interviewten Patienten berichten über dramatische Zuspitzungen und Veränderungen des Gefühlszustandes während der LSD-Erfahrungen.

So berichtet Patient 6: „Emotional war das eine Berg- und Talfahrt. ... Das erste Mal war es schon brutal, emotional sehr schmerzhaft. Ich konnte nicht mal sagen was [und] in welche Richtung – es tat einfach nur weh, so wie Liebeskummer, so wie Enttäuschtsein, so alles was man an negativen Gefühlen schon mal hatte. ... Es war einfach nur purer Schmerz. Erinnerungsschmerz ... Es war ziemlich hart. Die 2. Phase war dann super schön ... traumhaft, also wirklich – Liebe, Ausfahren, Halten; und ich wusste, dass Probanden von ‚spirituellen Erfahrungen‘ sprechen ... damit meinen sie einfach: Alles ist in Ordnung, alles ist prima ...“.

Patient 6 beschreibt eine Erfahrung, die einem mystischen Erlebnis mit der Auflösung des persönlichen Ichs zu ähneln scheint. „[Das Bedeutendste ist] dieses Sich-Auflösen. In dem Film ‚Matrix’ ... ist eine schöne Szene, wo sich ein Mensch auserkoren hat, in diese Welt einzusteigen und sagt: ‚Alles, was du jetzt siehst, ist eigentlich überhaupt nicht vorhanden, das sind eigentlich nur Algorithmen. ... Alles um ihn rum löst sich auf, alles weiß, nichts mehr da, alles, was sie normalerweise glauben, die Realität ist nicht mehr so, wie sie normalerweise erscheint ... So ein Gefühl war das. Es hat sich einfach alles ... in einem Glücksgefühl aufgelöst. Das war angenehm, sehr angenehm. ... Ich hab jetzt nicht mehr soviel Angst ... eine gewisse Kardinalangst, die ist verändert“.

Patient 8 erlebte in der zweiten Sitzung einen lang anhaltenden Zustand der völligen inneren Gelöstheit. [„Manche haben gefragt], ... ob mir der Teufel begegnet sei oder etwas Göttliches. Doch das ist mir gar nicht passiert. Ich bin einfach sechs Stunden am Schweben gewesen, aber hatte eine totale Sicherheit gespürt mit mir; dass alles, was ich mache, eigentlich gut ist“.

 Ein ähnlich fundamentales Empfinden von Sicherheit berichtet auch Patient 10. „Die LSD-Erfahrung war auf jeden Fall wichtig... das Geschenk war ... eine Sicherheit, eine Bestätigung; Selbstvertrauen kann man nicht sagen, weil das Selbst ja aufgehoben wird. Aber ein Vertrauen in den kosmischen, menschlichen [Bezugsrahmen] ... Die Unsicherheit, die man teilweise während der LSD-Sitzung erlebt, die ist nachher weg, wenn man dem Hellen, dem Licht, nicht ausweicht“.

Patient 3 schildert den Gesamtzusammenhang der aufeinander folgenden Phasen der Erfahrung. „Der erste Trip war ein Panik-Trip. Mit fast reiner Angst vor dem Tod. Es war Agonie ... Wirklich, ich hatte das Gefühl, ‚dass ich sterben werde‘. Ja, es war alles wirklich nur schwarz, die dunkle Seite. Ich war voller Furcht; es schüttelte mich ... Es war die totale Erschöpfung, ohne einen Ausweg, ohne Fluchtmöglichkeit. Es erschien mir wie ein endloser Marathon ... Das war ein großer Teil von dem Trip, bis es sich endlich in Entspannung löste ... Während des zweiten Trips zeigte sich die dunkle Seite am Anfang erneut, aber nur für eine kurzen Moment. Ich war etwas angespannt, schwitzte, aber nicht lange bevor die Entspannungsphase kam. Vollständig gelöst. Es wurde hell. Alles war Licht. Es war ein erhebendes Gefühl, ein warmes Gefühl. Keinerlei Schmerz. Wie ein Schweben, klar, getragen und geborgen mit der Musik ... Das war großartig. ... Die Schlüsselerfahrung ist, wenn man vom Dunkel ins Licht kommt, von der Anspannung in die totale Entspannung“.

Den Zitaten zufolge scheint es, dass die Patienten am Anfang mit Aspekten ihrer Situation konfrontiert werden, eine Konfrontation mit ihrer prekären Situation und den dazugehörigen „negativen“ Emotionen (z.B. Angst, Depression, Hoffnungslosigkeit) erleben. Später während der Erfahrung verwandelt sich dies ziemlich abrupt in einen fundamental positives Grundgefühl. Die Patienten beschreiben dies als eine Intensität, die sie niemals vorher erfahren haben und die ihnen eine neue Ausgangsbasis („new baseline“) für das „Wie-sich-fühlen-in-einer-solchen-Situation“ vermittelt habe. Andere der Interviewten sprachen davon, dass es eine Transformation des „inneren Grundmusters“, in welchem die gesamte Situation erfahren werde, gegeben habe. Diese Transformation mündete in ein dauerhaftes Sicherheitsgefühl und Vertrauen. Existenzphilosophisch wäre von basalen, über die Stimmung vermittelten Veränderungen des „In-der Welt-Seins“ (Heidegger) zu sprechen (Bollnow 1941).

 

4. Langzeit-Wirkungen: Veränderung von Perspektive, Haltungen und Werten

In den Studien aus den 1960er Jahren fanden sich bei Patienten regelmäßig tiefgehende Wandlungen in den Bereichen von Haltungen und Wertewelt (Pahnke 1970; Savage et al., Richards et al. 1977). Auch in den Interviews kamen die Patienten auf einige dauerhafte Veränderungen von Einstellungen und Wertewelt zu sprechen.

 Patient 3 erfuhr dies recht konkret: „Ich denke, nach den LSD-Sitzungen haben schon gewisse Veränderungen stattgefunden. ... Die gleichen Dinge waren nicht mehr gleich wichtig. Eine Verschiebung von Werten ... Sich Zeit zu nehmen für das Hören von Musik, der Musik bewusster zuzuhören. Materielle Werte erschienen nicht mehr so wichtig; andere Werte wurden vorrangiger: Gesundheit, Familie und solche Sachen. ... Wenn du einen Job hast und der Job Priorität hat und die Familie zuletzt kommt – und du das nicht mal mehr merkst. Dann zu realisieren: Stopp – was ist eigentlich das Wichtige? Dass es der Familie gut geht, dass es den Kindern gut geht ...“.

Auch die Bewertung von lebensgeschichtlichen Zusammenhängen oder Personen kann dauerhaft verändert werden. So berichtet Patient 8: „Bei meiner Mutter in der Familie gibt es eine Nazi-Vergangenheit ... Da hab ich das erste Mal richtig drüber nachgedacht. Hab es dann aber loslassen können ... Dass ich merke, ... dass ich da meine Familie, meinen Großvater nicht verurteilen darf und dass ich gar nichts dafür kann. ... [In der zweiten Sitzung] hat sich das noch intensiviert und wirklich alle Gedanken, die ich da hatte, hab ich einfach mitnehmen und umsetzen können und hatte kein Problem mehr. Ich konnte wieder gut schlafen ... Ich musste am Abend nicht mehr über Sachen nachdenken, sondern konnte einfach ins Bett und einschlafen und ich wusste, es ist alles gut“. Patient 8 bemerkte auch, dass er wieder schlafen konnte; und dies ohne ein ständiges Grübeln über seine bedrohliche Situation. Er berichtete, es habe „... sich die Lebensqualität extrem verändert. Es ist ein Unterschied, ob ich mit Stress in den Tod schaue oder mit Gelassenheit ... das ist ein riesiger Unterschied in der Lebensqualität. Also dass ich nicht mehr jeden Abend weinen muss, wie im ersten Vierteljahr, sondern ich lachen kann ... Und die Krankheit, der Schmerz, wenn ich aufstehe und laufe wie eine alte Großmutter, da muss ich oft kichern ...“

 

Diskussion

Die Studie zeigt, dass eine dreimonatige Periode von LSD-unterstützter Psychotherapie Besserungen des psychischen Befindens erzeugen kann, die über zwölf Monate stabil bleiben.

Die Resultate der qualitativen Studie zeigen, dass die Besserungen, wie sie die verminderten STAI-Werte abbilden, auch in persönlichen Äußerungen dargestellt werden (Abb. 1). Es zeigt sich außerdem, dass die Verbesserungen psychopathologischer Symptome von positiven psychologischen Veränderungen (Zunahme an Entspannung, Gleichmut, Selbstsicherheit und mentaler Stärke) begleitet waren.

 

Mögliche Wirkmechanismen auf psychologischer Ebene

Trotz einer Vielzahl von Studien zur LSD-unterstützten Psychotherapie (mehr als 500 zwischen 1950 und 1970, vgl. Passie 1997), sind die Wirkmechanismen von LSD in der Psychotherapie nicht ganz aufgeklärt.

Die bedeutendsten Elemente der Wirkung von LSD in psychotherapeutischem Kontext können so beschrieben werden:

  1. Die kognitiven Erfahrungen mit erstaunlich luziden Gedanken und veränderten As
soziationen, einer veränderten Sichtweise auf Probleme, neuen Perspektiven und der Betrachtung von Erfahrungen und Beziehungen auf verschiedenen Ebenen zugleich, verbunden mit neuen und vertieften Einsichten in innere Prozesse, Motivationen und Konflikte; 

  2. Die psychodynamischen Erfahrungen, charakterisiert durch das Auftauchen von Erinnerungen und Konflikten im Bewusstsein, die vorher ausgeschlossen waren. Die symbolische Darstellung wichtiger Konflikte wie auch die Abreaktion und Katharsis sind Elemente dieses (manchmal hypermnestischen) Wiedererlebens bedeutsamer Erfahrungen; 

  3. Die psychedelischen Gipfelerlebnisse mit (a) einem Verlust des Sinnes für dasSelbst/Ego und positiver Ich-Transzendenz; (b) der Transzendenz von Zeit und Raum; (c) einem Empfinden von Ehrfurcht und Offenbarung und (d) bedeutsamen neuen Einsichten. 


All diese Aspekte von LSD-Erfahrungen können zu den Behandlungswirkungen 
beitragen. Wie es scheint, waren die von den Patienten beschriebenen Veränderungen weniger von kognitiven oder psychodynamischen Erfahrungen abhängig, obgleich solche regelmäßig berichtet wurden. Praktisch alle Patienten berichteten, dass die zentralen und bewegendsten Erfahrungen intensive emotionale Erfahrungen waren.

Die Patienten durchliefen während der LSD-Erfahrung eine erste Phase intensiver Gefühle mit Anspannung und Angst während der Konfrontation mit Aspekten ihrer aktuellen Situation. Diese „schwierige“ Erfahrung wandelte sich in einer zweiten Phase zu einer durchgreifend emotional positiven Erfahrung. Kennzeichnend für diese ist ein spannungsfreier Zustand von Wohlbefinden, eine positive Erfahrung von „reiner Existenz im Hier und Jetzt“; befreit von Sorgen über die Vergangenheit und von Schuld, Depression und Angst. Die Beschreibungen der Patienten zeigen, was diese Erfahrungen an Zugewinn von „innerer Sicherheit“ und Vertrauen bedeuten.

Diese tiefen Erfahrungen können von großer, „umwälzender“ Intensität und Wirkungsmacht sein; was sie in die Nähe mystischer Erfahrungen rückt. Die erlebten Erfahrungen erfüllen aber nur einige der Kriterien für „mystische Erfahrungen“. Dies ergaben die Messungen mit der Pahnke/Richards Mystical Experience Scale (Griffiths et al. 2006). Demnach handelt es sich um „inkomplette“ mystische Erfahrungen (Gasser et al. 2015; Diesch 2014) . Diese lassen sich – so meinen wir – besser in Übereinstimmung bringen mit der von Abraham Maslow, dem Urheber des Konzepts der „Peak-Experiences“ (Gipfelerfahrungen), gegebenen Definition als „Momente von reiner positiver Glückseligkeit, wenn wir alle Zweifel, alle Furcht, alle Hemmungen, alle Spannungen, alle Schwächen hinter uns lassen ... Alle Separiertheit und Distanz von der Welt verschwindet, wenn man sich eins fühlt mit der Welt, mit ihr verschmilzt, wirklich zu ihr gehört, anstatt außerhalb von ihr zu sein und in sie hineinzusehen“ (Maslow 1962: 9; Übersetzung T.P.). Maslow unterscheidet ganz bewusst zwischen mystischen Erfahrungen und Peak-Experiences (Gipfelerfahrungen) (Maslow 1970: 75), die einige Features mystischer Erfahrungen nicht aufweisen.

Der prominente amerikanische Religionspsychologe William James hat das mystische Erfahren und Erkennen als eine dem Gefühlten nahestehende Erkenntnisform charakterisiert (James 1914, 323). Er geht von einem Spektrum von Zuständen aus: „Man geht aus dem gewöhnlichen Bewusstsein in mystische Zustände über wie aus einem Weniger in ein Mehr, aus einer Enge in eine Weite und zugleich aus Unfrieden in den Frieden. Sie werden als versöhnende, einigende Zustände empfunden; sie fördern das Gefühl der Lebensbejahung, nicht das der Lebensverneinung ...“ (James 1914: 333).

Überblickt man die Aussagen unserer Patienten, so wird deutlich, dass von ihnen Ähnliches empfunden wurde, doch dass die Ich-Grenzen zwar gelockert, aber nicht aufgelöst waren wie bei einer mystischen Erfahrung. Einige Patienten berichteten über ein Freiwerden von fixierten Denk-, Assoziations- und Verhaltensmustern, was – nach einer Phase der „Turbulenzen“ – zur Zunahme von Entspannung, Ruhe und Akzeptanz geführt habe.

Bezüglich der dauerhafteren Veränderungen in der mentalen Sphäre durch Peak-Experiences gibt James eine bedenkenswerte Idee. „Das Bewusstsein ist ein Komplex von Vorstellungen, von denen jede eine bestimmte Erregung hervorruft und sowohl treibende als hemmende Motive auslöst, die sich gegenseitig zurückdrängen oder fördern ... Eine neue Vorstellung, eine plötzliche Gefühlserregung ... kann das gesamte Gefüge zusammenstürzen lassen. Dann wird der Schwerpunkt an eine tiefere Stelle verlegt; denn die neuen Vorstellungen, die bei der Neugruppierung in die Mitte rücken, scheinen jetzt dort verankert zu sein, und so bleibt der neue Bau bestehen“ (James 1914: 161).

 

Mögliche neurobiologische Wirkmechanismen

Studien mit bildgebenden Instrumenten wie Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) weisen darauf hin, dass LSD-artige Halluzinogene ein größeres Repertoires an funktionaler Konnektivität in den Netzwerken des Gehirns verfügbar machen als im normalen Wachbewusstsein (Carhart-Harris et al. 2012a). Mit anderen Worten: Es können mehr oder weniger und andere Gehirnteile zusammengeschaltet werden, die unterschiedliche Muster von Hirnaktivität ergeben. Dies könnte Perspektivenwandel und Neubewertungsprozesse erklären.

Bei Depressionen und Angststörungen wurden übermäßig fixierte und „eingeengte“ Funktionsmuster auf psychischer und neurobiologischer Ebene beschrieben, mit emotionalem Bias, reduzierter emotional-kognitiver Responsivität und Flexibilität (Northoff 2007; Stuhrmann et al. 2011). Es lässt sich die Hypothese ableiten, dass LSD die Fähigkeit der Patienten verstärkt, fixierte und in ihrer Dynamik verminderte neurobiologische Funktionsmuster temporär zu „unterlaufen“ oder „aufzuheben“ und damit seelische Transformation zu begünstigen.

 

Mögliche negative Aspekte der Behandlung

Keiner der Teilnehmer berichtete über andauernde negative Wirkungen, was für die Sicherheit der Behandlung spricht. Diese bestätigen auch Umfragen zur Sicherheit der LSD-unterstützten Psychotherapie bei über 5000 Patienten (Cohen 1960; Malleson 1971; Gasser 1996).

  • Literaturverzeichnis

    Abramson H (Ed) (1967): The Use of LSD in Psychotherapy and Alcoholism. New York

    Bollnow O. F. (1941): Das Wesen der Stimmungen. Frankfurt/Main


    Carhart-Harris RL, Erritzoe D, Williams T, et al. (2012a): Neural correlates of the psychedelic state as determined by fMRI studies with psilocybin. Proc Natl Acad Sci USA 109: 2138–2143


    Cohen J (1960) Lysergic acid diethylamide: Side effects and complications. J Nerv Ment Dis 130, 30–40


    Diesch M (2014) LSD: Rückkehr in die klinische Forschung. Solothurn


    Gasser P (1996) Die Psycholytische Therapie in der Schweiz von 1988 –1993. Schweiz Arch Neurol Psych 147: 59–65


    Gasser P, Holstein D, Michel Y, et al. (2014) Safety and efficacy of LSD-assisted psychotherapy for anxiety associated with life-threatening diseases. J Nerv Ment Dis 202 513–520


    Gasser P, Kirchner K, Passie T (2015) LSD-assisted psychotherapy for anxiety associated with a life-threatening disease: A qualitative study of acute and sustained subjective effects. J Psychopharmacol 29: 1-12


    Gouzoulis-Mayfrank E, Schreckenberger M, Sabri O, Arning C, Thelen B, Spitzer M, Kovar KA, Hermle L, Büll U, Sass H (1999) Neurometabolic effects of psilocybin, 3,4-methylenedioxyethylamphetamine (MDE) and d-methamphetamine in healthy volunteers. A double-blind, placebo-controlled PET study with [18F] FDG. Neuropsychopharmacology 20: 565–581

    Griffiths RR, Richards WA, McCann U, Jesse R (2006): Psilocybin can occasion mystical-type experiences having substantial and sustained personal meaning and spiritual significance. Psychopharmacology 187: 268–283

    Grof S (1978) Topographie des Unbewussten. Stuttgart


    Grof S, Halifax J (1979) Die Begegnung mit dem Tod. Stuttgart


    Grof S (1983) LSD-Psychotherapie. Stuttgart


    James W (1914) Die religiöse Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit. Leipzig


    Kast E (1967) Attenuation and anticipation: A therapeutic use of lysergic acid diethylamide. Psychiatric Quarterly 41: 646–657


    Kurland AA (1985) LSD in the supportive care of the terminally ill cancer patient. J Psychoactive Drugs 17: 279–290


    Leuner H (1962) Die experimentelle Psychose. Berlin, Göttingen, Heidelberg


    Leuner H (1967) Present state of psycholytic therapy and its possibilities. In: Abramson HA (Ed): The use of LSD in Psychotherapy and Alcoholism. New York et al., pp. 101–116

    Leuner H (1981) Halluzinogene. Bern

    McGlothlin W, Cohen S, McGlothlin MS (1967) Long lasting effects of LSD on normals. Arch Gen Psychiat 17: 521–532

    MacLean KA, Johnson MW, Griffiths RR (2011) Mystical experiences occasioned by the hallucinogen psilocybin lead to increases in the personality domain of openness. J Psychopharmacol 25: 1453–1461

    Malleson N (1971) Acute adverse reactions to LSD in clinical and experimental use in the United Kingdom. Brit J Psychiatry 118: 229–230

    Maslow A (1962) Lessons from the peak experience. J Humanistic Psychol 2: 9–18

     Maslow A (1970) Religions, values, and Peak-Experiences. New York


    Mayring P and Glaeser-Zikuda M (Hg) (2008) Die Praxis der qualitativen Inhaltsanalyse. Weinheim


    Northoff G (2007) Psychopathology and pathophysiology of the self in depression – neuropsychiatric hypothesis. J Affect Disord 104: 1–14


    Pahnke WN (1969) The psychedelic mystical experience in the human encounter with death. Harvard Theol Rev 62:1–21


    Pahnke WN, Kurland AA, Unger S, Savage C, Grof S (1970) The experimental use of psychedelic (LSD) psychotherapy. JAMA 212: 1856–1863


    Passie T (1997) Psycholytic and psychedelic therapy research: A complete international bibliography. Hannover


    Passie T, Halpern JH, Stichtenoth DO, Emrich HM, Hintzen A (2008) The pharmacology of lysergic acid diethylamide: A review. CNS Neurosci Ther 14: 295–314

    Richards WA, Rhead JC, DiLeo FB, Yensen R, Kurland AA(1977) The peak experience variable in DPT-assisted psychotherapy with cancer patients. J Psychoactive Drugs 9, 1–10


    Savage C, Fadiman J, Mogar R, Hughes AM (1966) The effects of psychedelic (LSD) therapy on values, personality, and behavior. Int J Neuropsychiatry 2 241–254

    Schultes RE and Hofmann A (1980) Pflanzen der Götter. Bern


    Spielberger CS, Gorsuch RL and Lushene RE (1970) Manual for the State Trait Anxiety Inventory. Palo Alto, CA


    Stuhrmann A, Suslow T and Dannlowski U (2011) Facial emotion processing in major depression A systematic review of neuroimaging findings. Biol Mood Anxiety Disord 1:10


    Vollenweider FX, Leenders KL, Scharfetter C, Maguire P, Stadelmann O, Angst J (1997) Positron emission tomography and fluorodeoxyglucose studies of metabolic hyperfrontality and psychopathology in the psilocybin model of psychosis. Neuropsychopharmacology 16: 357–372